Annett Gröschner ist freie Autorin, Journalistin und lebt in Berlin

Armut ist das sicherste, gitterlose Gefängnis, hat der Schriftsteller Valeriu Marcu im letzten Jahrhundert geschrieben. Für Kinder ist Armut besonders schlimm, denn ihre Ausgrenzung ist ungeschützter, direkter und für die Kleineren unter ihnen kaum zu verstehen. Im jüngst vorgestellten nationalen Armutsbericht ist jedes achte Kind in Deutschland von Armut bedroht. Doch diese Zahl ist geschönt, im klein gedruckten Anhang lag die Armutsrisikoquote 2006 bei 26 Prozent. 1998 waren es noch 16 Prozent. Das Armutsrisiko von Kindern liegt damit deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung und steigt.

Zur selben Zeit flötet eine süßliche Stimme in der "Du bist Deutschland"-Kampagne für mehr Kinder: "Du kostest uns die neuen Schuhe, den größeren Fernseher und den Urlaub am Meer" und zeigt, fast unverschleiert, wessen Kinder dieses "Deutschland" da meint. Für Familien, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, ist nach der Explosion der Preise für Grundnahrungsmittel und Energie noch nicht einmal das Geld für frisches Obst oder Gemüse, geschweige denn für neue Kleidung im Budget. Lehrerinnen beklagen, dass immer mehr Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen. Armut heißt aber immer auch Verlust an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, bei Kindern sind das Geburtstage, Kinobesuche, Sportverein, Weihnachtsmarkt, Musikschule. Nur das Fernsehen ist kostenlos.

Den Politikern fällt dazu nicht viel mehr ein, als das Kindergeld um ein paar Euro zu erhöhen. Es wird zum Abbau der Armut nicht beitragen. Denn den Hartz-IV-Betroffenen wird das Kindergeld auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Mehr als 203 Euro pro Kind gibt es nicht, und damit kommt niemand über den Monat. Das Geld sollte eher für die gezielte Förderung in Schulen und Kindertagesstätten, kostenloses, schmackhaftes Schulessen und freien Eintritt in Kultur- und Sporteinrichtungen ausgegeben werden, und zwar für alle Kinder.