Auf den Spuren deutscher Siedler in Zentralrumänien

Hier geht's rund: Volkstanzgruppe in traditioneller rumänischer Tracht

VON ROBERT B. FISHMAN

"Wir leisten hier so etwas wie Sterbehilfe", sagt der evangelische Pfarrer Klaus Daniel im rumänischen Wolkendorf. "Die jungen Leute sind alle weg." Während sich in Wolkendorf immer noch ein paar alte Leute sonntags zum Gottesdienst in der Kirchenburg versammeln, sind andere einst "sächsische" Siedlungen inzwischen verlassen. Aus einer leer stehenden Kirche haben die Wolkendorfer eine 300 Jahre alte, halb verfallene Orgel geholt und restauriert.

Holprige Straßen

Der Pfarrer bemüht sich, die verstreut lebenden "Sachsen" zu übergemeindlichen Aktionen, Festen und Gottesdiensten zusammen zu bringen: Kein leichtes Unterfangen in einer Gegend, in der nur sehr wenige einen Führerschein oder gar ein Auto besitzen. Die Straßen sind so holperig, dass man bei trockenem Wetter für 30 Kilometer mehr als eine Stunde unterwegs ist. In den schneereichen Karpaten-Wintern kann es gut doppelt so lange dauern.

In Sibiu (Hermannstadt) steht die orthodoxe Kirche am Rande der Innenstadt. Das Zentrum mit seinen Kirchtürmen haben im Mittelalter deutsche Siedler gebaut. Hermannstadt war einst die Stadt in Rumänien mit dem höchsten deutschen Bevölkerungsanteil. Heute ist hier nur noch jeder Fünfzigste ein "Siebenbürger Sachse". Aus der ganzen Region sind neun von zehn Siebenbürger Sachsen inzwischen nach Deutschland ausgewandert. Von einst 200000 Nachkommen deutscher Siedler leben heute noch 20000 im zentralrumänischen Siebenbürgen.

In Viscri (Deutsch-Weißkirch) leben noch 24 Siebenbürger Sachsen. Bis zum Sturz der rumänischen Diktatur 1989 waren es noch 300. "Sie hatten jedes Vertrauen in Rumänien verloren und wollten nur noch weg", erzählt Maria. Nach 13 Jahren in München ist sie zurückgekommen. 1992 war sie zu ihrem nach Bayern ausgewanderten damaligen Mann gezogen. "Ich hatte Angst, dass es für mich hier keine Zukunft mehr gibt", erinnert sich die 37-Jährige. Jetzt ist sie froh, wieder zuhause zu sein. "Hier leben wir mit der Natur, im Winter hacken wir Holz und heizen damit den Ofen. Im Sommer sind wir draußen." Man spürt die Jahreszeiten viel intensiver als in den Städten Westeuropas.

Diese Nähe zur Natur lockt die Touristen ins verschlafene Viscri, elf Kilometer fernab der nächsten geteerten Straße. Botaniker aus England kommen, um im weiten, kaum besiedelten Hügelland der Vorkarpaten seltene Pflanzen aufzuspüren, andere wandern auf den Spuren von Wölfen, Luchsen und Bären. "Die Leute kommen wegen der Ursprünglichkeit des Dorflebens, der Tiere, der Natur und der Menschen", erklärt Ortsvorsteherin Caroline Ferolend. 800 Urlauber - vor allem aus Frankreich, Deutschland und England - zählte das 450-Einwohner-Dorf im vergangenen Jahr. "Aus unserer Armut ist unser Reichtum geworden", freut sich Carolines Mann Hermann, der wie viele im Dorf Stall oder Kammer zu Gästezimmern umgebaut hat.

Die Rückkehrer

Auch nach Bierthan (Birthälm) kommen immer mehr Touristen. Der mit Geld der Weltbank frisch sanierte Marktplatz und die mächtige Kirchenburg mit ihren neun Türmen und drei Wehrmauern zählen wie die Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch zum Weltkulturerbe der Vereinten Nationen. 300 Jahre lang residierte der Bischof der Region in Bierthan. Die heute 67-jährige Christa Richter ist nach 30 Jahren in der Hauptstadt Bukarest in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Im Schatten der Kirchenburg leitet sie ein Gästehaus.

Wie überall in Siebenbürgen sind auch aus Bierthan die meisten "Sachsen" ausgewandert. In ihren Häusern leben jetzt meist Romafamilien. Tsigani, Zigeuner nennen sie sich selbst oder einfach nur "Rumänen", um sich nicht von anderen Bürgern des Landes zu unterscheiden. Bei denen sind sie nicht beliebt, weil sie sich angeblich oder tatsächlich nicht an die Gesetze halten. Christa Richters Idee, für die "Zigeunerkinder" Freizeitprogramme zu organisieren und sie auf bessere Schule zu schicken, traf anfangs auf wenig Gegenliebe. Inzwischen achten die Nachbarn ihr Engagement. Im "Ökoclub" helfen die Kinder aus dem Dorf beim Aufräumen im Wald. Einigen Jugendlichen hat die engagierte Siebenbürger Sächsin Lehrstellen oder Plätze in weiterführenden Schulen vermittelt.

Überzeugender Erfolg

In Viscri (Deutsch-Weißkirch) helfen viele "Zigeuner" beim Wiederaufbau des Dorfes. Der Erfolg der "Sachsen" hat sie überzeugt. Sie sehen, dass man mit den Touristen Geld verdienen kann und dass es sich lohnt, dafür die Häuser zu renovieren und in Schuss zu halten.

Ab in die Karpaten

www.mihaieminescutrust.org

Viele Landesinfos und wertvolle Hinweise zum Radfahren in Rumänien, zu preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten sowie zur Anreise mit Bussen (auch ab Deutschland) und mit der Bahn (inklusive Fahrradtransport) liefert die Internetseite der deutsch-rumänischen Initiative Bikeromania unter www.bikeromania.de

Reiseveranstalter: Carpathian Tours, www.cntours.ro