Bei Neckermann sollen 450 Arbeitsplätze abgebaut werden

von Renate Bastian

Protest der Neckermann-Belegschaft

Mehrere hundert Beschäftigte aus allen Bereichen von Neckermann sind Ende August auf der Hanauer Landstraße in Frankfurt zu einem Staffellauf für ihre Arbeitsplätze angetreten. Neckermann ist schon seit längerem ein Sanierungsfall. Erst versuchte sich Karstadt/Quelle an einer Sanierung. Aus dieser Zeit stehen den Beschäftigten noch jeweils 1473 Euro aus dem Sanierungstarifvertrag zu, der ihnen bereits Verzicht abverlangt hatte. Nun richtet sich der Investor Sun-Capitol aus Florida mit 51 Prozent der Aktien, einem neuen Management und alten Rezepten häuslich ein.

Noch in diesem Jahr sollen bundesweit 50 Millionen Euro eingespart werden - auf Kosten der Beschäftigten. In Frankfurt sind vier Unternehmen von Neckermann angesiedelt: Die Neckermann.de GmbH, die Neckermann Contact Customer Services GmbH, die Neckermann Management GmbH und die Neckermann Logistik GmbH. 450 Arbeitsplätze in Deutschland stehen zur Disposition. In einzelnen Bereichen sollen die Wochenarbeitszeit erhöht und Kernbereiche aus dem Unternehmen ausgelagert werden, Tarifverträge werden ausgehebelt. Hans Kroha, der als ver.di-Sekretär für Neckermann zuständig ist, sieht hier einen typischen Finanzinvestor am Werke, der kurzfristig Erlöse erzielen, Managementfehler auf die Beschäftigten abwälzen und das Unternehmen verkaufsgünstig zuschneiden will.

Im Einzelnen soll das so vonstatten gehen: Arbeitsplätze in der Kundenberatung und im Service werden von Frankfurt nach Heideloh bei Bitterfeld verlagert. Den Beschäftigten in Heideloh hat man eine besondere Form von Angebot unterbreitet. Vorgefertigte Schreiben sehen ihre Weiterbeschäftigung vor, aber unter verschlechterten Bedingungen: Verlängerung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden ohne Lohnausgleich auf 40 Stunden; individueller Verzicht auf jegliche tarifliche Leistungen; unter der Voraussetzung, dass 95 Prozent ein solches Angebot annehmen, erhalten die Beschäftigten eine einmalige Abschlussgebühr von 2000 Euro; Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen für 24 Monate. Was bisher in Heideloh bearbeitet wurde, wird dafür nun nach Istanbul ausgelagert. Eine Reise ins tarifpolitische Nirwana, die für Sun-Capitol einträglich ist. Tarifpolitische Ungleichbehandlung will ver.di aber nirgendwo hinnehmen.

Stolze Qualifikation

Besonders dreist: Das Unternehmen bietet in Heideloh an, was den Beschäftigten ohnehin zusteht, nämlich die 1473 Euro aus dem früheren Sanierungstarifvertrag. Die Beschäftigten der anderen Service-Gesellschaften gehen bislang leer aus. Sie hätten ihr Geld bereits im Juni bekommen müssen und haben zu Hunderten eine Geltendmachung eingereicht. Auch die Frankfurter Staffelläufer forderten das ausstehende Geld. ver.di Hessen wird es nicht durchgehen lassen, dass die Beschäftigten geprellt werden.

Hans Kroha zum weiteren Vorgehen: "Das Unternehmen ist aufgefordert, sich zu einem Moratorium zu verpflichten, um in Verhandlungen nach Perspektiven zu suchen. Einseitige personelle und organisatorische Maßnahmen sollen unterbleiben, insbesondere soll es in Frankfurt keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Natürlich muss die Tarifbindung für alle wieder hergestellt werden." Die Frankfurter sind stolz auf ihre spezielle Qualifikation. Sie arbeiten, wie Kroha es ausdrückt, "nah am Konzern". Beim Staffellauf waren Beschäftigte aus allen Neckermannbereichen dabei. Das sieht auch der Betriebsratsvorsitzende von Neckermann Logistik, Thomas Schmidt, als ein deutliches Signal. Er verweist zudem auf die Unterstützung durch viele gesellschaftliche Kräfte: Parteien, kirchliche Gruppierungen, soziale Verbände. Aber auch ver.di PUBLIK verrät er nicht, was noch an Aktionen geplant ist. Dem Unternehmen sollen ja noch einige Überraschungen gegönnt sein.