Norbert Warga ist Datenschutzbeauftragter beim ver.di-Bundesvorstand

ver.di PUBLIK | Du warst von 2004 bis 2007 am Projektbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums für den geplanten Elektronischen Entgeltnachweis (ELENA) beteiligt. Was hast Du konkret gemacht?

NORBERT WARGA | Als Erstes habe ich darum gebeten, dass auch der DGB eingeladen wird. Im Projektbeirat habe ich die Interessen der Beschäftigten und der Bürgerinnen und Bürger an der Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte geltend gemacht, und zwar vor allem im Hinblick auf einen möglichst großen Datenschutz und Datensicherheit. Ich habe ein umfangreiches Datenschutzkonzept zum JobCard-Verfahren mit insgesamt acht Anlagen zu speziellen, erforderlichen Regelungen verfasst und eingebracht. Bezüglich der Kosten habe ich Einwände erhoben, da nicht einzusehen ist, dass der wirtschaftliche Vorteil von jährlich circa 85,6 Millionen Euro aus der Verwaltungsentlastung der Arbeitgeber letztlich durch eine Arbeitnehmerfinanzierung der Signaturkarte erwirtschaftet werden soll.

ver.di PUBLIK | Jetzt macht Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) Dampf und möchte ELENA so schnell wie möglich umsetzen. Die Informationstechnische Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherungen hat in seinem Auftrag ein Modellprojekt durchgeführt und behauptet in einer Imagebroschüre, das ELENA-Verfahren sei "bereits heute auf allen relevanten Ebenen akzeptiert". Lässt sich aus Deiner Mitarbeit die politische Zustimmung der ver.di ableiten?

WARGA | Politische Zustimmung können nur der Bundeskongress, der Gewerkschaftsrat und der Bundesvorstand leisten. Letzterer hatte mich gebeten, ver.di in dem Projekt zu vertreten. Über die Entwicklung und meine Tätigkeit habe ich ihn entsprechend informiert.

ver.di PUBLIK | Wie beurteilst Du das Projekt ELENA - besonders angesichts der jüngsten Datenskandale?

WARGA | Nach meiner ursprünglich ausschließlich negativen Kritik muss ich positiv anerkennen, dass das Verfahren den Antragstellern deutlich mehr Selbstbestimmung bescheren wird. Denn sie müssen weder ihren Arbeitgeber noch eine Stelle, die Einkommensersatz leistet, um eine Bescheinigung bitten und darüber informieren, ob und warum sie bei welcher Behörde einen Antrag stellen oder wie sich zum Beispiel ihre Kinder hinsichtlich ihrer Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung zu verhalten gedenken.

Die Zweckbestimmungen für die ELENA-Nutzung sind aktuell in dem Gesetzentwurf sehr eng gefasst, auch wenn sie nicht all das beinhalten, was von der Arbeitsgruppe Datenschutz empfohlen wurde. Zu befürchten ist jedoch, dass eine Bundesregierung den gesetzlichen Nutzungsrahmen kurzerhand erweitert. Und wenn immer mehr Datenbanken zu Steuern, Gesundheit, Einkommen, Sozialleistungen, Bankdaten, Verkehrsdaten, Ordnungsdaten, Polizeidaten etc. angelegt werden und der Staat sich darauf selbst Zugriffe einräumt und diese schleichend erweitert, dann ist Deutschland auf dem Weg zum Big-Brother-Staat.