Zeitarbeiter kommen nicht am Arbeitsamt vorbei

Von den Ausschreibungen auf dem Arbeitsmarkt sind 90 Prozent Zeitverträge

Von Birgit Tragsdorf

Für sie trifft fast alles zu, was es an schlechten Nachrichten in der Branche der Zeit-, besser Leiharbeit gibt. Jens Wagner und seine Kolleg/innen arbeiten für die Firma Fiege uni/serv. Das ist eine Zeitarbeitsfirma in Apfelstädt bei Erfurt, die der große Logistikkonzern Fiege selbst gegründet hat. Dort durften diejenigen anheuern, die zuvor vom Stammunternehmen entlassen worden waren.

Diese 100 Leute, davon ein Drittel Frauen, sind alle als Lagerhilfsarbeiter mit der niedrigsten Eingruppierung eingestellt. Die meisten davon mittlerweile unbefristet. Die monatlichen Arbeitszeiten bewegen sich von 70 Stunden bis zur Vollzeitbeschäftigung. Das Einstiegsgehalt liegt bei 5,60 Euro plus einer Zulage von 20 Cent.

Jens Wagner, seit zwei Jahren nun bei Fiege-Zeitarbeit dabei, verdient 6,10 Euro die Stunde. Gearbeitet wird in Früh- und Spätschicht, bei Warenausgang auch mal nachts. Und allein von diesem Geld kann er trotz Vollzeitstelle nicht leben und die Miete bezahlen. So holt er sich jeden Monat mit seinem Lohnzettel auf dem Arbeitsamt den Aufstockungsbetrag. Das geht seinen Kollegen ebenso. Und alle hoffen auf einen Übergang in reguläre Beschäftigung.

Leben von jetzt auf gleich

Seit einem halben Jahr gibt‘s einen Betriebsrat, Jens Wagner wurde zum Vorsitzenden gewählt. Sie wollen in Zukunft mit Betriebsvereinbarungen die Arbeitsbedingungen verbessern. Und da haben sie einiges zu tun, was die Regelung der Arbeitszeiten und des Urlaubs betrifft.

Jeden Mittwoch müssen die Kolleg/innen anrufen und nach der Arbeit für eine Woche fragen. Arbeitsbeginn von jetzt auf gleich ist nicht selten, Rückrufe aus dem Urlaub auch nicht. Zeit für Familie und Freizeit ist nicht planbar. "Du richtest deinen Alltag ausschließlich danach, wie die Arbeitslage ist, kannst kaum was planen, und im Endeffekt kannst du von deiner Arbeit nicht leben." Es kommen noch weitere Abstriche im Arbeitsalltag für die Leiharbeiter hinzu: 24 Tage Urlaub statt 30 Tage bei Festangestellten, Urlaub in den Sommerferien fällt aus. Dazu kommt der Druck der Arbeitgeber bei Krankheit, und die Kündigungsfrist beträgt nur zwei Tage, wenn die Aufträge zurückgehen. Wird der Arbeitnehmer an eine andere Firma ausgeliehen und entstehen Anfahrtskosten, muss die der Leiharbeiter selbst tragen.

Jens Wagner will mit seinen Mitstreitern im Betriebsrat bei Fiege etwas ändern. Die Verträge der DGB-Gewerkschaften für Leiharbeit gelten hier nicht.

Über 2000 Verleihbetriebe

Der Gesetzgeber hatte die Regularien für Arbeitgeber vereinfacht, damit die Unternehmen Auftragsspitzen oder -dellen auffangen können. Doch deren Anwendung geht weit darüber hinaus. "Wir erleben, dass mit Dumpinglöhnen Tarife ausgehebelt werden und die Eingruppierungen viel zu niedrig sind", so der zuständige ver.di-Fachsekretär Frank Zwicker aus Erfurt. "Ausschreibungen auf dem Arbeitsmarkt beinhalten zu 90 Prozent Zeitverträge. Wir werden schon hellhörig, wenn Betriebe ihre eigenen Leiharbeits- firmen gründen. Das heißt nämlich: Abbau von festen Arbeitsplätzen."

In den drei Bundesländern unseres Landesbezirkes gab es im ersten Halbjahr 2008 insgesamt 60221 Leiharbeiter, 47123 Männer und 13098 Frauen. Über 2000 Firmen gelten als Verleihbetriebe. Die Tätigkeitsfelder sind meist bei den 21079 Hilfsarbeitern zu suchen sowie in den Metallberufen wie Schlosser und Mechaniker mit 11238 Beschäftigten.