Von Barbara Underberg

Alle gehören zum Klinikum! Protest gegen Leiharbeit in Essen

Sie bekommt für die gleiche Arbeit etwa 500 Euro brutto weniger im Monat, hat sechs Tage weniger Urlaub, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und keine betriebliche Altersvorsorge. Wenn Heiligabend und Silvester alle anderen einen halben Tag frei haben, muss sie arbeiten. Michaela Friedmann (Name geändert) hat die Nase voll und ist auf dem Absprung zu einem neuen Arbeitsplatz. "Ich habe noch nie einen Job so gern ausgeübt wie diesen. Aber die ungleiche Behandlung mache ich nicht länger mit", sagt sie. Die Sekretärin am Universitätsklinikum Essen ist angestellt über die Personalservicegesellschaft (PSG), eine Leiharbeitsfirma. Die PSG ist eine hundertprozentige Tochter der Uniklinik, ihr Geschäftsführer ist der Personalchef der Klinik. Die PSG-Beschäftigten unterliegen dem Tarifvertrag für die Zeitarbeitsbranche, den der DGB mit dem Verband iGZ abgeschlossen hat. Sie verdienen etwa ein Drittel weniger als ihre Kollegen, die nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden.

Hohe Fluktuation

Etwa zehn Prozent der 3 000 nicht-wissenschaftlich Beschäftigten arbeiten bei der PSG, die anderen bei der Uniklinik selbst. Das Klinikum ist eine Anstalt öffentlichen Rechts und gehört dem Land Nordrhein-Westfalen. 2005 wurde die Leiharbeitsfirma mit der Idee gegründet, auf Dauer die gesamte Belegschaft über die PSG einzustellen. Dagegen ist der Personalrat Sturm gelaufen.

Stephan Gastmeier ist stellvertretender Personalratsvorsitzender und genau wie die Vorsitzende des Gremiums aktiver ver.dianer: "Ohne unseren Widerstand wäre heute wohl die Hälfte der Beschäftigten bei der PSG. Mittlerweile beschränkt sich die Leiharbeit größtenteils auf Anlerntätigkeiten." Dazu gehören zum Beispiel Transportdienste, Sterilisationshilfen, Wach- und Geländedienste.

Höher qualifizierte Beschäftigte suchen sich häufig rasch eine neue Stelle, weil die Arbeitsbedingungen anderswo deutlich besser sind als bei der PSG. "Im wissenschaftlichen Bereich gibt es seit dem letzten Jahr keine Leiharbeiter mehr. Das haben die Klinikleiter durchgesetzt. Die Fluktuation war so hoch, dass kein vernünftiges Arbeiten mehr möglich war", sagt Gastmeier. Eine Medizinisch-Technische Assistentin bestätigt das: "In meinem Bereich brauchen die Kolleginnen eine gewisse Einarbeitungszeit. Wenn sie einmal hier sind, wollen wir sie natürlich auch behalten."

Ausbildungsziel Leiharbeit

Für den Personalrat und ver.di wird hier aggressiver Missbrauch mit der Leiharbeit getrieben. Lohndumping und der Ersatz von Stammarbeitsplätzen durch Leiharbeiter sind typisch dafür. Ein Schreiner des Uniklinikums ist Vorarbeiter eines PSG-Beschäftigten. "Wenn der Kollege wegen Urlaub oder Krankheit ausfällt, bekomme ich keinen Ersatz für ihn. Für mich ist das gemogelte Leiharbeit", sagt er. Ein Skandal ist für Personalrat Gastmeier, dass alle Auszubildenden am Uniklinikum Essen nach ihrer Ausbildung automatisch in der PSG landen. Etwa 60 junge Leute bildet die Klinik pro Jahr aus, unter anderem zu Physiotherapeuten, Masseuren, Arzthelferinnen, Elektrikern und Feinmechanikern.

Personalrat und ver.di fordern die unverzügliche Abschaffung der firmeneigenen Leiharbeit. Am 17. November wird der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider, SPD, an der Personalversammlung teilnehmen. Die Beschäftigten erwarten von ihm eine klare Botschaft gegen die Zweiklassengesellschaft im Haus. Für den Arbeitsminister handelt es sich am Uniklinikum Essen um einen Missbrauch von Leiharbeit. Die Rechtslage erlaube keinen unmittelbaren Eingriff der Landesregierung, jedoch werde der Druck auf das Management aufrechterhalten.

Dagegen betont Sylvia Bühler, die Leiterin des ver.di-Landesfachbereichs Gesundheit in NRW: "Es geht für uns nicht um rechtliche Fragen. Wenn die Landesregierung den politischen Willen hat, wird sie einen Weg finden, die PSG abzuschaffen." Und Stephan Gastmeier sagt unmissverständlich: "Wenn bis zum Jahresende nicht klar ist, dass sich die Situation hier ändert, werden wir den verantwortlichen Politikern keine ruhige Minute lassen. Wir werden sie bei allen öffentlichen Auftritten besuchen und richtig Krach schlagen. So lange, bis die PSG weg ist."