Die Europäische Kommission will die Gesundheitsversorgung ihrer Mitgliedsländer nach Binnenmarktregeln neu ordnen - das will ver.di verhindern

Was ist eine Dienstleistung? Haare schneiden, eine Homepage installieren, ein Möbelstück transportieren - sicher. Aber einen Patienten nach einer Operation gesund pflegen oder ein Unfallopfer per Rettungswagen in die Notaufnahme bringen? Für die Europäische Kommission besteht hier kein Unterschied - sie will mit ihrer so genannten Richtlinie zur "Ausübung von Patientenrechten in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung" das europäische Gesundheitswesen dem Markt öffnen. Derzeit berät das Europäische Parlament den entsprechenden Entwurf. Ob er noch bis zur Europawahl Anfang Juni verabschiedet wird, ist fraglich. Das Papier ist schwer umstritten - über 1300 Änderungsanträge liegen vor.

Auch ver.di kritisiert das Vorhaben der Kommission scharf. "Für ver.di sind Gesundheitsdienste Teil der Daseinsvorsorge. Sie sind kein frei handelbares Gut", sagt Ellen Paschke, im ver.di-Bundesvorstand für den Bereich Gesundheit zuständig. Das Vorhaben der Kommission, die Gesundheitsdienste der einzelnen Mitgliedsländer für Bewohner anderer EU-Staaten zu öffnen, ist aus ver.di-Sicht zwar richtig. EU-Bürger/innen sollen sich demnach künftig innerhalb der EU in jedem Land behandeln lassen können. Interessant ist dies für Patienten vor allem in grenznahen Bereichen oder bei Behandlungen, für die ein anderes als das Heimat-Land eine bessere Qualität bietet. "Gegen Patientenmobilität kann man nicht ernsthaft etwas einwenden", sagt daher auch Margret Steffen, bei ver.di für Europäische Gesundheitspolitik zuständig.

Kostenerwägungen vor körperlicher Unversehrtheit

Jedoch dafür zu sorgen, dass sensible Sozialleistungen generell als rein ökonomische Dienstleistungen eingestuft werden, sei heikel. Dies könnte etwa bedeuten, dass deutsche Krankenkassen ihre Versicherten in grenznahen Bereichen verpflichten, die deutlich günstigeren Zahnersatzleistungen in Polen in Anspruch zu nehmen. Das jedoch betrachtet ver.di als problematisch: Das enorme Lohngefälle zwischen beiden Ländern würde zusätzlichen Kostendruck auf deutsche Zahntechniker ausüben. "Das Gesundheitswesen umfasst Dienstleistungen, die für das Leben von Patienten von hoher Bedeutung und keine Marktgüter sind", sagt Margret Steffen, "deshalb - die Sicherung von Patientenrechten ja, aber nicht zum Preis der Einführung von Binnenmarktregeln in das Gesundheitswesen." Zu groß sei die Gefahr, dass künftig reine Kostenerwägungen über die körperliche und seelische Unversehrtheit der EU-Bürger entscheiden würden.UTA VON SCHRENK