Ausgabe 04/2009
Teurer Steuerspartrick mit der AIG
Absturz des bis vor kurzem weltweit größten Versicherers wird deutsche Kommunen Millionen kosten
Noch nie hat ein Staat einem Unternehmen so viel Geld zur Verfügung gestellt wie die USA dem Versicherungskonzern AIG: Bisher 180 Milliarden US-Dollar, umgerechnet knapp 136 Milliarden Euro. Doch auch nach der Verstaatlichung im September befindet sich das Unternehmen weiter im freien Fall - und ein Ende ist nicht abzusehen.
Die AIG war bis vor kurzem das größte Versicherungsunternehmen der Welt und hat auch hierzulande viele Kunden. Während die Deutsche Bank bereits umgerechnet neun Milliarden Euro aus dem US-Staatssäckel erhalten hat, gerät eine große Zahl deutscher Kommunen immer weiter in die Bredouille. Sie hatten zwischen 1994 und 2004 zusammen mit US-amerikanischen Investoren eine Lücke im US-Steuerrecht genutzt, die den US-Staat Milliarden kostete: Kaufte oder leaste eine US-Firma in Europa ein Kanalnetz, eine Müllverbrennungsanlage oder ein Nahverkehrsunternehmen und vermietete es zurück an die Kommune, so teilten sich beide die gesparten Steuern - etwa zehn Prozent des angeblichen Verkaufspreises. Abgesichert wurde ein Großteil der Verträge durch die AIG.
Nachdem die AIG nun zweimal von Rating-Agenturen abgewertet worden ist, sind die Kommunen verpflichtet, eine andere Versicherung zu suchen oder dem US-Investor andere Sicherheiten zu bieten. Wie teuer das letztendlich wird, kann niemand sagen. Nürnberg musste sich Geld leihen, um für etwa 50 Millionen Euro US-Staatsanleihen zu kaufen, in Berlin hält man heute einen Schaden von bis zu 157 Millionen Euro für möglich, der aus dem Leasinggeschäft mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) entstehen könnte. Selbst die kommunalen Spitzenverbände haben keinen Überblick über die genaue Anzahl der inhaltlich geheimen Verträge. Die Rede ist von etwa 150 Kontrakten, deren Gesamtvolumen auf 30 bis 80 Milliarden Euro geschätzt wird. Obwohl der Städte- und Gemeindebund bereits 2003 auf die Risiken der Verträge mit jahrzehntelangen Laufzeiten hingewiesen hatte, haben sich viele klamme Kämmerer darauf eingelassen. Besonders viele Betroffene gibt es im Ruhrgebiet; in Bayern und Thüringen, wo zeitweise ein Verbot im Raum stand, soll es keine oder nur wenige Verträge geben.
Annette Jensen