HEIKE LANGENBERG ist Redakteurin bei ver.di PUBLIK

In vier Monaten wird der Bundestag neu gewählt. Doch schon seit längerer Zeit hat man das Gefühl, die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD befinden sich mitten im Wahlkampf. Da gibt es nicht mehr den Willen, gemeinsame Entscheidungen zu finden. Stattdessen gehen die Vertreterinnen und Vertreter der Großen Koalition munter aufeinander los, immer die eigene Wählerklientel im Blick. Als ob die dadurch vergessen würde, zu welchen Kompromissen man sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren hat hinreißen lassen um des lieben Koalitionsfriedens willen.

Doch jetzt in der Krise ist Krawall in der Koalition angesagt - angesichts der nahenden Wahl. Dabei wäre in diesen Zeiten die Bereitschaft zu einem sachlich begründeten Konsens dringend nötig. Doch davon ist nichts zu spüren. Die Reform der Jobcenter, vom Bundesverfassungsgericht angemahnt? Wegen Uneinigkeit verschoben, obwohl Experten von fünf Millionen Arbeitslosen im kommenden Jahr ausgehen. Ein Mindestlohn für Leiharbeiter? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärt ihn in dieser Legislaturperiode für gescheitert, weil sich die SPD angeblich nicht an die Absprachen gehalten habe. Ein drittes Konjunkturpaket, um die Wirtschaft trotz Krise wieder in den Gang zu bekommen? Diese Forderung weist die Koalition sogar einhellig zurück. Sie will lieber abwarten, was die bisherigen Konjunkturpakete bringen. Sprich, bis die Wahl gelaufen ist.

Die Liste weiterer Beispiele ist lang. Ob Opel oder Hypo Real Estate, entweder gehen die Parteienvertreter/innen aufeinander los oder versuchen, die Probleme bis nach der Wahl auszusitzen. Dabei hat selbst Bundespräsident Horst Köhler angemahnt, dass es "im Vorfeld einer Bundestagswahl keine Beurlaubung von der Regierungsverantwortung" geben kann. Dass es auch anders gehen kann, zeigt die schnell getroffene Koalitionszusage, die Renten nicht zu kürzen, auch wenn die Lohnsumme in Deutschland sinkt. Ein Zeichen der Besserung? Mitnichten. Nur die Erkenntnis, dass es sich alle drei Parteien nicht leisten können, eine so große Wählergruppe zu verprellen.