Der Streik der Kreativen

Viele Kindertagesstätten, Horte und soziale Einrichtungen blieben in den letzten Wochen auch bei uns geschlossen. Doch immer noch liegt kein Tarifergebnis auf dem Tisch, die Verhandlungen wurden abgebrochen

Sie brauchen wir alle dringend: Demozug der sozialen Dienste

Immerhin hat ver.di die größte bundesdeutsche Streikbewegung im Sozial- und Erziehungsdienst mobilisiert. "Mehr Zeit für das einzelne Kind!" oder "Gute Arbeit braucht Perspektiven" stand auf vielen Transparenten während des mehrwöchigen Streiks. Auf insgesamt 25 000 Streiktage brachten es die Beschäftigten aus den Sozial- und Erziehungsdiensten in Niedersachsen und Bremen. Ob in Bremen oder Bremerhaven, in der Stadt oder Region Hannover, in Braunschweig, Bad Harzburg, Wolfsburg, Göttingen, Wolfenbüttel, Peine, Hildesheim, Osnabrück, Lüneburg oder Celle - die ver.dianer/innen verschafften sich Gehör, kreativ wie selten. Sie demonstrierten mit Rollstuhl und Rollator, mit Fahrrädern, Trillerpfeifen, Pauken und Trompeten.

Eltern solidarisch

Mit sieben Bussen waren Streikende aus Hannover Mitte Juni zur Großdemo nach Köln gefahren. Dort forderten 30 000 Menschen mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. ver.di hatte Politiker aller Parteien eingeladen. Riesigen Applaus bekam eine junge Mutter aus Hannover. Die Elternratsvorsitzende Saskia Söder versicherte, dass die Eltern trotz der großen Streikbelastung Solidarität zeigen. Denn: "Spätestens seit Pisa ist die grundlegende Bedeutung der Kitas bekannt."

Beispiel Braunschweig: Mehr als 2 000 Beschäftigte aus Kitas sowie Alten- und Pflegeheimen zogen Richtung Kohlmarkt. Laut schreiende Kinder, unbequeme, weil zu kleine Stühle und vor allem viel zu große Gruppen lassen die Arbeit jeden Tag zu einer Herausforderung werden. Die meisten der Beschäftigten fürchten, dass sie die Zeit bis zum Eintritt in die Rente nicht gesund überstehen werden. Die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre erscheint deshalb für viele wie blanker Hohn. "Hörsturz - na und, Rücken - na und, läuft's bis 67 noch rund!" oder "Krummer Rücken, täglich heben, wir wollen die Rente noch erleben!", spotten die Streikenden in Richtung Politik. Die staunenden Braunschweiger am Straßenrand wurden mit einer aktuellen Streikzeitung informiert.

Jetzt erst recht

In Braunschweig kritisierte ver.di-Landesleiter Siegfried Sauer den Kommunalen Arbeitgeberverband Niedersachsen. "Ich fordere dazu auf, die Beschäftigten nicht länger mit Abmahnungen oder gar fristlosen Kündigungen zu bedrohen, wie es eine Reihe von Bürgermeistern getan hat." Entgegen der Absicht hatten die Einschüchterungsversuche jedoch eher einen positiven Effekt auf die Streikbereitschaft der Beschäftigten ausgelöst. Sauer stellte aber klar, dass das Streikrecht in der Verfassung verankert ist. Die Arbeitgeber sollten die berechtigten Interessen der Erzieherinnen und Sozialarbeiter nach besserem Gesundheitsschutz anerkennen und ein verhandlungsfähiges Angebot für einen Tarifvertrag unterbreiten. Die Erhöhung des Rentenalters auf 67, bezeichnete Sauer als "Programm zur Förderung der Altersarmut".