Selbst und ständig: Kameraleute in Aktion

„Ich schlage mich so durch“, sagt Eva Schieckel* mit einem gehörigen Schuss Selbstironie. Die 45-Jährige ist Lehrerin für Deutsch und Englisch und arbeitet seit zwölf Jahren freiberuflich als Dozentin. Sie unterrichtet an einer Volkshochschule Deutsch als Fremdsprache, 20 Stunden wöchentlich, mit Vor- und Nachbereitungszeiten ein Vollzeitjob. Nebenbei gibt sie Schülern Nachhilfe in Englisch. „Wenn ich mehr als 1300 Euro Umsatz im Monat zusammenbekomme, ist das Spitze“, sagt Eva Schieckel. Von diesem Geld muss sie neben Miete, Telefon, ihren privaten Versicherungen und Ausgaben auch die Umsatzsteuer abführen, die Beiträge für Krankenkasse, Renten- und Pflegeversicherung bezahlen. „Da wird es oft knapp. Mein Lebensstandard ist auf Hartz-IV-Niveau“, stellt sie fest. „Vorsorge für das Alter zu treffen, ist für mich unmöglich. Ich werde wohl eine bettelarme Rentnerin werden.“

Lücken im System

So wie Eva Schieckel geht es hierzulande vielen so genannten Solo-Selbstständigen. Sie arbeiten als Physiotherapeuten, Übersetzerinnen, Journalisten, Künstlerinnen, IT-Fachleute, Kleinstdienstleisterinnen. Rund 2,4 Millionen Menschen in der Bundesrepublik sind derzeit als Solo-Selbstständige erwerbstätig. Von 2002 bis 2007 ist ihre Zahl um ein Viertel angewachsen, und sie steigt weiter: Durch Outsourcing und den Einsatz von Honorarkräften senken Unternehmen ihre Kosten. So werden viele ehemalige Angestellte zu Selbstständigen. Meist arbeiten sie dann für weniger Geld und müssen alle Risiken selbst tragen.

Existenzgründer/innen werden – allerdings nur in der Einstiegsphase – staatlich unterstützt. Wenn die Förderungen auslaufen, zeigen sich die Lücken im System. Vor allem die soziale Absicherung ist für einen großen Teil der Solo-Selbstständigen finanziell nicht zu leisten oder der Zugang zu diesen Sicherungssystemen ist ihnen versperrt. Und wenn die Aufträge ausbleiben? Eberhard Henze von der Arbeitsagentur Berlin-Süd sagt: „Der Umgang mit arbeitslos gewordenen Selbstständigen ist vor allem von Unwissen geprägt.“ Für viele Betroffene bleibt nur Hartz IV. Hier will ver.di – in der Gewerkschaft sind rund 30 000 Selbstständige organisiert – ansetzen: „Die politischen Rahmenbedingungen müssen so verändert werden“, fordert Veronika Mirschel, Referentin für Selbstständige bei ver.di, „dass Selbstständige von ihrer Arbeit leben und Vorsorge für Alter, Krankheit oder Auftragslosigkeit treffen können.“

Konkrete Hilfe bietet ver.di unter anderem mit dem Beratungsnetzwerk mediafon. Dort können Solo-Selbstständige bei der Hotline 01805 / 75 44 44 anrufen oder Beratung über ein Online-Formular (https://www.mediafon.net/beratung.php3) anfordern. Für ver.di-Mitglieder ist die Beratung von Experten zu allen Fragen rund um ihre selbstständige Tätigkeit kostenlos. „Die meisten Fragen der Betroffenen betreffen die soziale Sicherung“, sagt Gunter Haake von mediafon. Das zeige, wie groß der Handlungsbedarf für diese wachsende Gruppe Erwerbstätiger sei. ver.di hat ein Forderungspaket zur sozialen Absicherung Solo-Selbstständiger geschnürt, auf dessen Grundlage die Diskussion mit politischen Entscheidungsträgern geführt wird.

GUNDULA LASCH

* Name geändert

Info und Hilfe

Das vom ver.di-Gewerkschaftsrat verabschiedete „Selbstständigenpolitische Programm“ enthält neben Forderungen zur sozialen Absicherung und angemessenen Bezahlung selbstständig erbrachter Leistungen auch das Ziel, Solo-Selbstständige zu organisieren, ihre Vernetzung zu ermöglichen und das solidarische Handeln von betriebsgebundenen und selbstständig tätigen Mitgliedern zu unterstützen.

Programm: www.freie.verdi.de/aktive_selbststaendige/selbststaendigen_programm Forderungspaket zur sozialen Absicherung Solo-Selbstständiger: http://freie.verdi.de/soziale_sicherung Hilfe für Solo-Selbstständige bietet ver.di mit dem Beratungsnetzwerk mediafon. www.mediafon.net http://selbststaendige.verdi.de