Neonazis behindern gewerkschaftliche Arbeit, verbreiten Propaganda und kandidieren manchmal auch

VON STEFAN WIRNER

So würden sie sich gern präsentieren: als die engagierten „Kameraden“ von nebenan, die sich aufopferungsvoll um die Belange der Bürger kümmern. Deshalb werden Neonazis Mitglieder bei der Freiwilligen Feuerwehr, in der Bürgerinitiative, im Sportverein. Und sie haben auch die Betriebe als Feld für sich entdeckt. Besonders die Betriebsräte.

Beim Transportunternehmen UPS in Nürnberg etwa hat es Tobias Dede bis zum Betriebsratsvorsitzenden geschafft. 2006 erregte er Aufsehen, als er sich mit einem Flugblatt an die Belegschaft wandte. Darin hetzte das damalige ver.di-Mitglied gegen einen Kollegen und unterstellte ihm Linksextremismus. Dedes Quelle war ein Internet-Text der rechtsextremen „Anti-Antifa Nürnberg“. ver.di schloss ihn unmittelbar nach dem skandalösen Vorfall aus und forderte UPS auf, gegen Dede und seine Propaganda vorzugehen. Die Unternehmensleitung lehnte das ab, weil sich das um „Einflussnahme auf die Meinungsäußerungen” eines Betriebsratsmitglieds gehandelt hätte, wie es Jörns Reineke, Generalbevollmächtigter von UPS Deutschland, ausdrückte.

„Das ist das Problem“, sagt Harry Roggow von ver.di Nürnberg, der mit dem Fall betraut war. "Wenn der Arbeitgeber nichts unternehmen will, gibt es kaum eine rechtliche Handhabe.” Dabei muss es sich um innerbetriebliche Vorgänge handeln, nicht um politische. Da UPS beispielsweise keine Störung des Betriebsfriedens feststellen wollte, blieb nur, Dede aus der Gewerkschaft auszuschließen. „Die meisten ver.di-Kollegen gingen sowieso davon aus, dass er nur pro forma Mitglied war”, sagt Harry Roggow.

Dedes Amtsführung zeigte schnell negative Auswirkungen im Betrieb. So trafen sich die echten ver.di-Mitglieder nur noch im vertrauten Kreis, weil sie nicht mit den Mitgliedern zusammenarbeiten wollten, die sie für „U-Boote“ des Arbeitgebers hielten. Außerdem nahm Dede als Wahlvorstand den ver.di-Vorschlag zur Betriebsratswahl nicht an – angeblich wegen eines Formfehlers. „Kurz vor Ablauf der Einreichungsfrist um 24 Uhr teilte er ver.di mit, dass der Listenvorschlag nicht zur Wahl zugelassen wird”, erzählt Harry Roggow. Die Gewerkschaft ging vor Gericht und gewann: Die Wahl musste wiederholt werden. Auch der verunglimpfte Kollege wehrte sich, und Dede wurde gerichtlich untersagt, seine Behauptungen zu wiederholen. Betriebsratsvorsitzender aber ist er immer noch. „Die Lage im Betrieb ist schwierig”, bestätigt die heute für UPS zuständige ver.di-Sekretärin Bärbel Winkler.

... und bei Daimler in Untertürckheim

Auch die Kollegen von der IG Metall im Daimler-Werk Untertürckheim hatten ein Problem mit einem Mann von Rechts. Bei ihnen vertrat 2007 Oliver Hilburger die Christliche Gewerkschaft Metall. Zudem war er Schöffe beim Arbeitsgericht in Stuttgart, als bekannt wurde, dass er in seiner Freizeit Gitarrist der Neonazi-Band „Noie Werte” war, in deren Texten der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verehrt wird.

Doch die Mitarbeiter nahmen das nicht hin. „Immer wieder wurden Artikel über den Fall im Scheibenwischer, der IG Metall-Betriebszeitung für die Beschäftigten, veröffentlicht”, erzählt Alexandra Wolf, die Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats.

Die Mehrheit der Betriebsräte verabschiedete eine Erklärung gegen Hilburger. Der Druck wirkte. Im Juli 2007 trat der Rechtsrocker vom Posten des Betriebsrats zurück. Im Januar 2008 beschloss das Arbeitsgericht in Stuttgart dann auch seine Enthebung vom Schöffenamt. Eine Entscheidung, die bei ver.di mit Genugtuung aufgenommen wurde. Warnt die Gewerkschaft doch immer wieder davor, dass Rechtsextreme versuchen, sich unter die Schöffen zu mischen.

Derzeit lägen noch keine konkreten Hinweise vor, in welchen Betrieben im Frühjahr Rechtsextreme kandidieren könnten, sagt Uwe Woetzel aus der ver.di-Bundesverwaltung. Umso wachsamer sollten Gewerkschafter/innen sein. Rein rechtlich ist gegen die Kandidatur von Neonazis nichts zu machen, denn jeder, der volljährig ist und seit mindestens sechs Monaten im Betrieb arbeitet, kann kandidieren. Aber die Kollegen können aufgeklärt werden, und Druck lässt sich erzeugen. Auch wenn sich Rechtsextreme in Betrieben als Vertreter der Beschäftigten darstellen wollen, klar ist: Sie haben keine Antwort auf Probleme, sondern propagieren Nationalismus und Hass auf ausländische Kollegen.