Bitte anschnallen: Merkel und Westerwelle geben Gas

VON HEIKE LANGENBERG

Die Deutschen haben gewählt, jetzt wird verhandelt. Bis Ende Oktober wollen sich CDU, CSU und die FDP einig sein über ihren Koalitionsvertrag. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske sieht in einer schwarz-gelben Bundesregierung eine Schwächung der Kräfte, die das Thema soziale Gerechtigkeit nach vorne geschoben haben. Er geht davon aus, dass sich soziale Auseinandersetzungen zuspitzen werden.

Wohin die Reise gehen kann, zeigt ein Blick in die Wahlprogramme. Beispiel Mindestlohn: Dieses Thema wird für ver.di weit oben auf der politischen Agenda bleiben, zumal es mit dem Wegfall der Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2011 noch mehr Bedeutung erlangen wird. Exper-ten gehen davon aus, dass dann mehr Menschen aus Osteuropa auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen werden, die bereit sind, zu geringeren Löhnen zu arbeiten – und damit das Lohnniveau weiter nach unten ziehen.

In ihrem Regierungsprogramm lehnen CDU/CSU einen gesetzlichen Mindestlohn ab. Möglich sein sollen nur Lohnuntergrenzen für einzelne Branchen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz oder dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Niedrigstlöhne will die Union mit staatlichen Zuschüssen ergänzen. Die FDP lehnt gesetzliche Mindestlöhne generell ab.

Die Zahl der Betriebsräte soll nach dem Willen der FDP deutlich reduziert werden. Beim Kündigungsschutz wollen die Liberalen erreichen, dass er erst in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten nach einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren greift.

Der ver.di-Vorsitzende erwartet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu ihrem Wort steht, den Kündigungsschutz unangetastet zu lassen. „Ich erwarte, dass sie dem Druck des Wirtschaftsflügels der CDU/CSU sowie der FDP standhält”, sagte Bsirske in einem Interview bei www.streik.tv.

Während sich CDU/CSU zur Tarifautonomie bekennen, wollen die Liberalen Abweichungen zulassen. Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene sollen zulässig sein, wenn mehr als drei Viertel der Belegschaft und der Arbeitgeber das wollen. Hauptkriterium ist für die FDP, dass die dort vereinbarten Regelungen „günstiger” für die Beschäftigten sind – und dazu zählen für die FDP auch geringerer Lohn oder längere Arbeitzeiten, solange dadurch Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden können. In diesem Fall soll auch von Tarifverträgen abgewichen werden können.

Der Druck aus der Wirtschaft auf die neue Regierung ist groß. Bereits kurz nach der Wahl hat der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, gefordert, die Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform zu korrigieren. Beide Reformen, die von der schwarz-roten Bundesregierung verabschiedet worden sind, gehen nach Meinung von ver.di hingegen nicht weit genug. Gerechtere Steuern in diesen beiden Bereichen sind nach ver.di-Meinung ein Mittel, um an mehr öffentliche Einnahmen zu kommen, mit deren Einsatz die Wirtschaft angekurbelt werden kann.

ver.di-Mitglieder diskutieren den schwarz-gelben Wahlsieg unter http://mitgliedernetz.verdi.de