Die offizielle Statistik spiegelt längst nicht das Ausmaß der tatsächlichen Arbeitslosigkeit in Deutschland wider

von Heike Langenberg

Die Arbeitslosenzahlen im August 2010 waren für den Vorstand der Bundesagentur (BA) ein Grund zur Freude. "Die gute konjunkturelle Entwicklung hat die Situation am Arbeitsmarkt weiter verbessert", freute sich BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt, als er die Arbeitsmarktzahlen für den Monat vorstellte. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass im August offiziell 3,188 Millionen Menschen erwerbslos gemeldet waren. 4 000 weniger als im Vormonat, 283 000 weniger als im August 2009. Und damit die geringste Zahl an offiziell registrierten Erwerbslosen in einem August seit 1992.

Aber: 67,7 Prozent der als erwerbslos Gemeldeten sind im Rechtskreis des Sozialgesetzbuches II registriert, das heißt, sie beziehen Leistungen, die im Allgemeinen als Hartz IV bekannt sind. Sie sind langzeitarbeitslos.

Noch vor fast zwei Jahren, kurz nach dem Beginn der weltweiten Wirtschaftskrise, waren Experten davon ausgegangen, dass Deutschland sich in kürzester Zeit auf fünf Millionen Arbeitslose einstellen müsse. Diese hohe Zahl ist ausgeblieben. Allerdings haben die vergangenen beiden Jahre ihre Spuren hinterlassen. Zwar ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland im Juli nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf knapp 40,2 Millionen gestiegen, dennoch ist mit dem Wiederaufflackern der Konjunktur in erster Linie die Zahl der Leiharbeitnehmer/innen angestiegen. Hinzu kommt, dass in den beiden Krisenjahren die Zahl der befristet Beschäftigten, niedrig Bezahlten und Teilzeitbeschäftigten zugenommen hat. Außerdem täuscht die Zahl der Kurzarbeiter/innen über das wahre Ausmaß der verminderten Beschäftigung in den vergangenen Monaten hinweg. Zur Zeit sind nach Angabe der BA noch rund 400000 Kurzarbeiter/innen registriert, in Spitzenzeiten waren es weit über eine Million.

Die Statistiken werden bereinigt

3,188 Millionen ist die offizielle Zahl an Erwerbslosen. In ihr werden längst nicht alle ausgewiesen, die keine Arbeit haben. Insbesondere vor dem Wahljahr 2009 wurden Regelungen eingeführt, die die Statistik bereinigen. So werden Erwerbslose nicht mehr aufgeführt, die älter sind als 58 und seit zwölf Monaten Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitslose bezogen haben, wenn ihnen in dieser Zeit keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit angeboten worden ist. Auch wer von einem privaten Arbeitsvermittler betreut wird oder an einer so genannten Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnimmt, taucht seither in der Statistik nicht mehr auf.

In der Langfassung der offiziellen Erwerbslosenstatistik steht eine weitere Zahl: Rund 5,739 Millionen erwerbs-fähige Männer und Frauen hatten im August Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II. Hinzu kommen knapp 100000 Aufstocker/innen. Auf diese Zahlen weist Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktsforschung und Jugendberufshilfe hin. Und: Zwar bessert sich das Konjunk-turklima, aber ob das ein tragender Aufschwung wird, ist fraglich. Daher fordert ver.di unter anderem ein weiteres Konjunkturprogramm, damit der wirtschaftliche Aufschwung nachhaltig wird.