von Renate Bastian

Proteste in Homburg/Efze: Die Beschäftigten wollen keine Federn mehr lassen

Bei der Logistikfirma "Bettenwelt" in Nordhessen kommen die Beschäftigten nicht zur Ruhe. In der gesamten Region ist inzwischen bekannt, dass das Betriebsklima dort aus den Fugen geraten ist. Kaum hatte ver.di Publik Anfang des Jahres über das Betriebsklima beim Unternehmen "Bettenwelt" im nordhessischen Homberg/Efze berichtet, musste der Betriebsrat schon Rede und Antwort stehen. Wie die Missstände an die Öffentlichkeit geraten seien, wollte Geschäftsführer Kay Sievers wissen, doch ließ sich der Betriebsrat nicht am Zeug flicken. Seit Monaten geht es bei "Bettenwelt" um Bezahlung unter dem Tarif der Branche, um Arbeitsbedingungen, um billige Leiharbeit. "Druck und Dresche", so charakterisierte ein Mitarbeiter in der örtlichen Presse das Betriebsklima. Für diese Einschätzung spricht, dass vier Betriebsratsmitglieder die fristlose Kündigung erhielten und nun dagegen klagen.

Bewegungsprotokolle

Hintergrund: Bei Bettenwelt gilt ein so genannter "Arbeitszeitdiebstahl" als Tatbestand. Durch ein innerbetriebliches Überwachungssystem werden physische Bewegungsprotokolle des Personals angefertigt. Einem Beschäftigten wollte man so nachgewiesen haben, Arbeitzeit "gestohlen" zu haben. Er erhielt die Kündigung, der Betriebsrat widersprach.

Durch die "Bettenwelt" weht ein rauer Wind. In seinem Widerspruch gegen die Kündigung des "Arbeitszeitdiebes" vor dem Arbeitsgericht bemängelte der Betriebsrat, dass Daten der Beschäftigten ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgewertet wurden. Er fühlte sich an Überwachungsskandale der Vergangenheit erinnert. Das brachte den Geschäftsführer Sievers wiederum in Harnisch. Auch eine Entschuldigung des Betriebsratsvorsitzenden Gerd Pfeiffer wollte er nicht annehmen. Eben mit der Begründung, er fühle sich durch die Stellungnahme des Betriebsrats in die Nähe von Stasi-Methoden gerückt, hatte Geschäftsführer Sievers allen vier Betriebsräten fristlos gekündigt.

Vor dem Arbeitsgericht

Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ist bereits gescheitert, am 30. August fand die Hauptverhandlung für den Betriebsratsvorsitzenden Gerd Pfeiffer statt. Tanja Dotzert, ebenfalls Betriebsrätin, erwartet ihren Prozess am 14. September. Im Fall Pfeiffer will der Arbeitsrichter die Entscheidung am 19. September verkünden. Derweil gibt sich die Geschäftsleitung gut gelaunt. Geschäftsführer Sievers gibt sich unvermindert freundlich, gratuliert den Betriebsratsvorsitzenden zum Geburtstag, fragt nach den Kindern. Es wurde sogar möglich, zwei Betriebsvereinbarungen abzuschließen, und zwar genau zu den umstrittenen Themen: Datenschutz und Arbeitszeit. Nun ist schwarz auf weiß festgehalten, dass Daten der Mitarbeiter nicht ohne den Betriebsrat verwendet werden dürfen. Was also treibt den Geschäftsführer zu den Kündigungen? Die Corporate Idendity des "Dänischen Bettenlagers", dessen Tochter die "Bettenwelt" in Homberg ist, wird umschrieben mit Kollegialität und Kooperation. Letzteres zeigt der Betriebsrat durch die Bereitschaft zu Verhandlungen. Kollegialität ist im nordhessischen Logistikunternehmen aber in erster Linie zwischen Betriebsrat und Belegschaft zu spüren. Viele fragen sich, ob im Mutterbetrieb die Vorgehensweise des Geschäftsführers gebilligt wird.