Gewerkschaften wollen Forderungen der Arbeitgeber nicht nachgeben. Sie fordern eine ehrliche Ausbildungsplatzbilanz

Der "Nationale Pakt für Ausbildung 2010" wurde ohne die Gewerkschaften abgeschlossen. Monatelang hatten Bundesregierung, Arbeitgeber, DGB und Vertreter der Kultusministerkonferenz unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums über das Papier verhandelt. In der Nacht vor der Unterzeichnung setzten die Arbeitgeber dann Änderungen durch, die die Gewerkschaften nicht mittragen konnten. "Am Ende ist die Regierung vor der Wirtschaft eingeknickt", sagt Matthias Anbuhl, Leiter der Abteilung Bildungspolitik beim DGB.

Offizielles Ziel des Vertrags ist es, die Chancen von Jugendlichen auf eine Ausbildung zu verbessern und dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Doch mehrere Punkte blieben strittig. Die Arbeitgeber wollten den Jugendarbeitsschutz aufweichen und erklärten das Nachtarbeitsverbot für Minderjährige zum "Ausbildungshemmnis". Dem hält ver.di-Bundesjugendsekretär Ringo Bischoff entgegen: "Für die Ausbildung ist es keineswegs notwendig, dass Jugendliche zum Beispiel in Gaststätten auch nach 22 Uhr arbeiten; da geht es dann in Wirklichkeit um billige Küchenhilfen." Die Gewerkschaften verlangten ein klares Bekenntnis zum Arbeitsschutz für Jugendliche. Als Kompromiss schlug das Kanzleramt vor, eine Arbeitsgruppe einzusetzen - doch die wollten die Arbeitgeber nicht.

Versorgt in der Warteschleife

Auch zweijährige Schmalspurausbildungen sind für Gewerkschafter unakzeptabel - schließlich haben Speiseeishersteller oder in Callcentern eingesetzte "Kaufleute für Dialogmarketing" keine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Nach einer Telefonkonferenz zwischen Kanzleramt, Industrie- und Handelskammer und DGB einen Tag vor der Verabschiedung wurde vereinbart, dass zweijährige Berufsausbildungen nur im Konsens der Sozialpartner beschlossen werden können. Einige Wirtschaftsvertreter rebellierten - und so formulierte das Kanzleramt die Passage im Sinne der Arbeitgeber um. Schließlich fehlt im Pakt auch eine ehrliche Ausbildungsplatzbilanz. Obwohl mehrere hunderttausend junge Menschen in Warteschleifen stecken, gelten sie offiziell als "versorgt".

Annette Jensen