Von Friedhelm Grützner

Es gab eine Zeit, da stand jeder Ganove, der etwas auf sich hielt, zu seinen Schandtaten. Von der schwarz-gelben Bundesregierung kann man dies nicht behaupten. Die Entscheidung der Bundesregierung, sich bei der Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze an dem aktuellen Bundesverfassungsgerichtsurteil nur vorbeizulügen und auf seine offene Missachtung zu verzichten, zeigt uns: Die schwarz-gelben Parteien CDU und FDP haben ihre politische Ganovenehre verloren – sofern sie diese je besaßen.

Der Wille von Schwarz-Gelb, das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu unterlaufen, war seit Frühjahr dieses Jahres evident. FDP-Chef Guido Westerwelle startete seinen Feldzug gegen Langzeitarbeitslose, denen er – von seiner Klientel auf andere schließend – das Schwelgen in „altrömischer Dekadenz" vorwarf. Gleichzeitig war von Berechnungsmethoden die Rede, welche statt des untersten Fünftels in der Einkommenshierarchie die letzten zehn Prozent zur Grundlage des Statistikmodells machen sollten. Noch kurz vor der Entscheidung verkündete der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, dass „die CSU einer Regelsatzerhöhung nur zustimmen will, wenn es verfassungsrechtlich überhaupt nicht anders geht“ – ein Satz, der nebenbei ein merkwürdiges Verhältnis zu verfassungsrechtlichen Vorgaben enthüllt und die Verfassungstreue des selbsternannten Herz-Jesu-Sozialkatholen mit einem Fragezeichen versieht. Begleitet wurde diese Diskussion mit Kampagnen in der Schmutzpresse, um Niedriglohngruppen gegen Langzeitarbeitslose aufzuhetzen.

Schon unter Rot-Grün waren die Ergebnisse des Statistikmodells mit lachhaft begründeten Abschlägen versehen worden, weil die unter Niedriglöhnern bekanntermaßen weit verbreiteten Pelzmäntel, Segelflugzeuge und Sportboote mit eingerechnet werden müssen. Und was Rot-Grün kann, das kann Schwarz-Gelb schon lange. Auch die derzeitige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen konnte es sich nicht verkneifen, an dievom Gericht gerügten komödiantischen Pelzmäntel-Sportboote-Abschläge anzuknüpfen, wenn sie ausführte, dass auch Menschen, „die mit Arbeit ihr eigenes kleines Einkommen verdienen, ... sich nicht alles leisten können".

Mein Gott! Ist das so neu? Dieses „sich nicht alles leisten können“ ist doch bereits in der Verbraucherstichprobe enthalten. Von der Leyens Logik besagt, dass man von dem schon niedrigen Lebensstandard der Vergleichsgruppe noch einmal Abzüge vornehmen muss – was wohl kaum mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt.

Schwarz-Gelb ist feige. Der traditionellen Ganovenehre hätte es entsprochen, wenn CDU und FDP offen bekannt hätten: „Wir unterlaufen das Bundesverfassungsgerichtsurteil, denn wir sind gewählt worden, um die Interessen der Begüterten zu vertreten. Hier stehen wir, wir können nicht anders." Das wäre offen und ehrlich gewesen. Und da wir Langzeitarbeitslosen wissen, woran wir bei dieser Regierung sind, hätte uns das nicht weiter verwundert. Die Entscheidung, nach allem Kleinrechnen und Manipulieren eine Gnadengabe von fünf Euro zu gewähren, wirkt dagegen demütigend und verarschend. Also: „Behaltet eure 5 Euro!“Der Autor ist promovierter Historiker, lebt in Bremen und bezieht Hartz IV