Haltungsschäden, Übergewicht, Koordinationsschwierigkeiten, keine Ausdauer - um Kinder und Jugendliche muss man sich Sorgen machen. Gäbe es in Deutschland nicht 91 000 Sportvereine, würde die Zahl von rund zwei Millionen Kindern mit gravierenden Problemen sehr wahrscheinlich noch höher ausfallen. Der Sport und das Vereinswesen fördern Gesundheit und Gemeinschaft. Und die deutschen Kommunen lassen sich das was kosten: Von 3,9 Milliarden Euro, die hierzulande jährlich in den Sport investiert werden, bringen allein die Kommunen 3,1 Milliarden auf.

Nur, um die Finanzen sehr vieler Kommunen in Deutschland steht es nicht gut. Defizite in zweistelliger Milliardenhöhe, der stärkste Steuerrückgang seit Jahrzehnten und weiter steigende Sozialausgaben lassen etliche Kommunen kapitulieren. In Nordrhein-Westfalen haben 139 Kommunen, das ist jede dritte Stadt, bereits einen Nothaushalt und kein Geld mehr zum Ausgeben. Das heißt auch: Sporthallen und -plätze können nicht mehr saniert, geschweige denn neue Anlagen, die einem sich wandelnden Sportbewusstsein Rechnung tragen, gebaut werden. Skateboard-Anlagen mit Röhren und Loopings, Inlineskater-Strecken oder Fitnesshallen bleiben vielerorts ein Wunsch. In der Stadt Oberhausen gibt es zwar ein großes Aquarium und ein riesiges modernes Einkaufszentrum, aber weil die örtliche Stadtsparkasse mit zwei Milliarden Euro die Rettung der West LB mitfinanzieren musste, blieb in den vergangenen zwei Jahren kein Geld übrig für Investitionen in Sportstätten und -veranstaltungen.

Wie sehr die Städte, Gemeinden und Sportvereine, in denen die allermeiste Arbeit ehrenamtlich geleistet wird, von dritten Geldgebern abhängig sind, zeigt auch der Wettbewerb "Sportfreundliche Kommune" in Schleswig Holstein. Ohne die Volksbanken-Raiffeisenbanken, die ihn finanziell unterstützen, wäre er nach Auskunft des Pressesprechers des Innenministeriums gar nicht denkbar. Auch das renommierte Internationale Reitturnier in den Holstenhallen Neumünster nicht.

Nur ein ganz geringer Betrag

Dass es auch noch ohne Bank oder andere Sponsoren geht, zeigt das Beispiel Henstedt-Ulzburg, eine der Sieger-Kommunen 2010: Weil die Gemeinde auch bedürftigen Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an den Sportangeboten ermöglichen will, übernehmen je zur Hälfte die Gemeinde und der SV Henstedt-Ulzburg die Mitgliedsbeiträge für sie. Auch wenn die Gemeinde sparen muss, dieses Projekt soll nicht gestrichen werden: "Das ist ein sehr geringer Betrag im Verhältnis zu anderen Ausgabepo-sitionen. Die Förderung der Jugend und des Sports ist uns ein sehr wichtiges Anliegen. Sofern Einsparungen im Haushalt vorgenommen werden müssen, werden alle Ausgaben auf Dringlich- und Notwendigkeit überprüft und gegebenenfalls Prioritäten gesetzt", sagt Anja Riemer, Fachbereichsleiterin Soziales, Bildung, Jugend und Freizeit in der Gemeinde Henstedt-Ulzburg.

Sanierungsbedarf in Höhe von 42 Milliarden

Dem Land Brandenburg hat bis 2010 noch das Sonderförderprogramm "Goldener Plan Ost" (GPO) der Bundesregierung geholfen, bedarfsgerechte und attraktive Sportanlagen zu betreiben. Insgesamt verfügt das Bundesland über 4500 Sportanlagen, 65 Prozent davon sind in kommunaler Hand, 22 Prozent unterhalten gemeinnützige Sportvereine. Weil nach wie vor bei einigen Sportanlagen ein erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf besteht, hatten sich - gefördert durch den GPO - Partnerschaften zwischen Vereinen und Kommunen zur Finanzierung vereinseigener oder gepachteter Sportanlagen bewährt. Aber nun fehlt auch den Brandenburger Kommunen Geld.

"Eine Krise der kommunalen Finanzen ist immer auch eine Krise des Vereins- und Breitensports", sagt Karin Fehres, Direktorin für Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Laut Fehres besteht bundesweit ein milliardenschwerer Sanierungsbedarf in Höhe von mindestens 42 Milliarden Euro. "Diese Summe ist höher als das Sanierungsvolumen für Trinkwasseranlagen, Verwaltungsgebäude oder Krankenhäuser", sagt Fehres. Das Konjunkturpaket II der Regierung verschaffe dem Sport und den Sportvereinen insgesamt zwar Spielraum, doch werden die Fragezeichen immer größer, was ab 2011 aus den Investitionen in kommunale Sportstätten werde.

Da helfen auch die neuen monatlichen Zehn-Euro-Gutscheine für die rund 1,7 Millionen Hartz-IV-Kinder nicht, wenn diese sie denn für eine Mitgliedschaft in einem Sportverein verwenden. Den Vereinen nützen sie nichts, weil mit ihnen nicht einmal ein Bruchteil der benötigten Sanierungsgelder zusammenkommen würde. Und auch den Kindern nützen sie nichts: Eine Vereinsmitgliedschaft ist für zehn Euro zwar zu haben, doch damit ist noch kein Turnschuh und keine Fahrt zu einem Wettkampf bezahlt. Hartz-IV-Kinder gehören schon heute zu den gesundheitlich am meisten gefährdeten Kindern, sie leiden häufiger an Abwehrschwäche, Konzentrationsmangel und Übergewicht. Gerade sie brauchen den Sport und keine Vereine und Kommunen, die am Tropf hängen.

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