Christian Hanika hat schon eine Frauenfußballmannschaft trainiert, heute ist er Vorsitzender der Konzernjugend- und Auszubildendenvertretung bei E.ON und noch einiges mehr - ein Superprofessioneller auf Turbo

"So machen wir das jetzt mal." Christian Hanika vertritt die Jugendlichen und Azubis bei E.ON mit knallhartem Verhandlungsgeschick

Von Monika Goetsch

Schwarzer Kurzmantel, geputzte Schuhe und zwei Rollkoffer, in jeder Hand einer: Christian Hanika, 24, wirkt ausgeschlafen und frisch und voller Energie. Obwohl es noch früh ist, ein grauer Januarmorgen, Schneematsch auf Münchens Straßen. Hanika hat nach dem Aufstehen Kaffee getrunken, Obst und Saft gibt es dann beim Meeting in der E.ON Energie-Zentrale hoch über den Dächern Münchens. "Wer Höhenangst hat, kann hier nicht runterschauen", sagt er mit Blick auf die schöne Eingangshalle des Hauptgebäudes ganz weit unten. Er hat aber keine Höhenangst. Man hätte sich auch gewundert bei einem Mann wie ihm.

Seine Vertreter sitzen schon im Hufeisen des Konferenzsaals, sie kommen aus ganz Deutschland, um sich zu beraten: demographischer Wandel, Patenschaften für junge Mitarbeiter, das Nachbesetzen frei werdender Stellen, alles Themen, die 4900 jungen Menschen im Gesamtkonzern auf den Nägeln brennen. "Da wird viel drüber geredet", sagt Hanika, "aber von Arbeitgeberseite kommt gar nix." Christian Hanika wirft den wohl geordneten Laptop an und beamt den Kalender an die Wand. Jahresplanung. Wann trifft man sich 2011 zur Videokonferenz, wann persönlich? "Wie ich Terminplanungen hasse", murmelt Hanika gut gelaunt und zieht die Sache doch flott und professionell durch, als liege ein Spaß darin. Als der Wunsch einer Teilnehmerin nicht berücksichtigt werden kann, schaut er sie freundlich an, "so machen wir das jetzt mal, tut mir leid für dich".

Es ist die zweimonatliche Vorstandssitzung der KJAV, der Konzernjugend- und Auszubildendenvertretung: ein Wortungetüm, das dem Vorsitzenden und Schnellsprecher Hanika leicht über die Lippen geht - auch wenn das Bayerische immer wieder durchschlägt. Hanika mag eine gewisse Weltläufigkeit ausstrahlen, sein Dialekt verrät die Herkunft aus der Provinz. Bad Abbach bei Regensburg, 10000 Einwohner, ein Städtchen mit "Kaiser-Therme" an der Grenze von Mittel- zu Nordbayern. Hier hat er Fußball gespielt, den Nachwuchs und die Frauenmannschaft trainiert, in der Schule ein bisschen herumgekaspert, dabei allerdings "strategisch gelernt, um durchzukommen" und im vergangenen November die "Jungen Freien Wähler" gegründet, deren Vorsitz er kurzerhand auch noch übernahm.

Eine volle Woche

Heute wohnt er, der leidenschaftliche Koch mit Vorliebe für gesunde Ernährung, noch immer im Haus seiner Kindheit, in einer "Zweier-WG" mit seiner Mutter. Aber eigentlich ist er gar nicht so viel zu Hause. Seine Arbeit als Vorsitzender der KJAV und seine Posten in 42 unterschiedlichen Gremien prägen den beruflichen Alltag. Aber auch privat ist Christian alles andere als faul. Diese Woche ist besonders vollgepackt: Montag Büro Regensburg, Dienstag und Mittwoch Sitzung in München, Donnerstag Sitzung in Berlin, Freitagmorgen Regensburg, Freitagnachmittag bis Sonntag Sitzung in der Nähe von Rosenheim, Sonntagnachmittag Hallenfußballturnier mit seiner Mannschaft, dem TV Oberndorf, die Sporttasche fährt er seit Freitag im Auto spazieren. Abends Tanzkurs mit der neuen Freundin, "danach sink ich ins Bett." Allerdings nicht, ohne vorher sein tägliches Sportprogramm zu absolvieren, Ausgleich und Stärkung zugleich: 100 Situps und 50 Liegestütze.

Mit einem spielerischen Sinn für Experimente zieht er privat immer noch mehr Jobs an Land, als Model zum Beispiel und als DJ, der anderen einheizt, er hat Auftritte in Quizshows, spielte schon mal einen flirtenden Kellner in der Fernsehproduktion Alles Liebe, verkleidete sich für Tchibo als kinderlieber Hase und ließ sich in der Show Singing Bee hochnehmen. Er hat fünf Patente laufen, darunter eins, das Kindern das Einschlafen erleichtern soll, und ein anderes zum Thema Hautpflege. Oberflächliche Gameshows und professionelles Wissen, Quirligkeit und knallhartes Verhandlungsgeschick, schillernde Selbstdarstellung und das Talent, sich in wichtigen sozialen Fragen für die Belange anderer durchzusetzen: Das scheint auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Passt es aber, auf ganz entspannte Weise. "Neue Zeiten brauchen neue Antworten", steht entsprechend auf Hanikas Visitenkarte. Und er meint es auch so.

Dampf ablassen

Anfangs, vor acht Jahren, wollte er vor allem Parties für die Jüngeren bei E.ON organisieren. Inzwischen hat er sich tief eingearbeitet in sein Amt, Inkompetenz kann er sich nicht leisten. Einen bunten Strauß an Eigenschaften anbieten - das klappt nur, wenn man überall gut ist. Vorbereitet, engagiert, mit einem guten Gespür für das, was andere von einem wollen. Natürlich hört auch er die üblichen, missmutigen Sprüche: Die da oben, heißt es etwa, machen sowieso, was sie wollen. Du kannst eh nichts ändern. Wen interessiert das schon. Solcher Politikverdrossenheit begegnet Hanika mit Gegenfragen: Wie kommst du darauf? Warum setzt du dich nicht für deine Zukunft ein? Möchtest du denn nicht unbefristet übernommen werden? "Die Leute brauchen ein Ventil. Sie wollen Dampf ablassen. Aber irgendwann merken die: Mensch, der Christian hat ja Recht."

So akribisch Christian Hanika auch arbeitet, so effizient und entscheidungssicher er auftritt: Die Jüngeren mögen ihn für seine Lockerheit. Manche sehen ihn erst im Fernsehen, bevor sie ihn als KJAV-Vorsitzenden von E.ON erleben. "Ein crazy Typ", habe er gedacht, als er Hanika bei Singing Bee sah, sagt Alexander Kütt, einer seiner Stellvertreter. Ausgerechnet I'm Mister Vain von Culture Beat sang Hanika da, "Ich bin Herr Eitel". Dann lernte Kütt ihn als leidenschaftlichen KJAVer kennen. "Gut, dass er so viele verschiedene Seiten hat."

Noch genieße er den "Jugendbonus", sagt Hanika, die Erlaubnis, über die Stränge zu schlagen, die ganze Offenheit der Zukunft. Zwei Jahre bleiben ihm bei der KJAV, zwei Jahre lang setzt er sich weiter ein für die unbefristete Übernahme aller Azubis, für eine hohe Ausbildungsqualität, für vernünftige Tarife und gegen die Ausbeutung junger Auszubildender. Dann ist Schluss.

Aber was heißt schon Schluss, Hanika hebt die Hand und deutet auf jeden Finger einzeln: "Es gibt die Gewerkschaftsschiene. Und die politische Bürgermeisterschiene. Ich könnte eine Fernsehshow übernehmen. Oder einfach DJ werden und nebenbei politisch aktiv sein." Dann wäre da noch die ursprüngliche Karriere, der er gerade eins draufsetzt: Für Mai, sagt er im E.ON-Konferenzsaal vorsichtig zu seinen Stellvertretern, mögen sie bitte keine Sitzung einplanen. Da lerne er für seinen Bachelor in Electronics. Eine Viertelstunde später ist der Einwand vergessen, Christian Hanika nickt einen Maitermin durch. "Kommt nicht in Frage, da hast du Prüfungsvorbereitung. Lernen geht vor!" sagt jemand aus der Runde. Ein Tag Sitzung, behauptet Hanika, sei immer drin. "Christian!" sagt seine Stellvertreterin Sabina Schmidt da nur mahnend. Der Termin wird gestrichen. Manchmal muss man den Hanika ein bisschen bremsen - das wissen hier am Tisch alle.