Wer illegal in Deutschland arbeitet, kann eine angemessene Entlohnung einklagen. ver.di unterstützt die Betroffenen vor Gericht

Emilija Mitrović berät seit 2008 bei ver.di Menschen ohne Papiere

Ana reiste mit einer befreundeten Reedersfamilie von Kolumbien nach Hamburg. Nach einem Jahr als Au-pair-Mädchen war ihr Visum abgelaufen, seitdem hütete sie ohne Aufenthaltsstatus die Kinder, putzte das Haus und den Swimmingpool. Sieben Tage die Woche schuftete sie, oft mehr als zehn Stunden am Tag. Es gab den ortsüblichen Lohn - für eine Hausangestellte in Kolumbien: 8200 Dollar im Jahr. Das Geld schickte der Reeder direkt zu Anas Familie nach Südamerika. Sie selber bekam ein kleines Taschengeld zugesteckt. 39 Monate wurde Ana für einen Stundenlohn von etwas mehr als zwei Euro ausgebeutet. Bis sie Ende 2007 Mónica Orjeda auf einem Spielplatz traf. Die zufällige Begegnung sollte ihr Leben verändern. Mónica Orjeda, Mitarbeiterin bei Verikom, einem Verein, der sich für die Gleichberechtigung von Migrant/innen in Hamburg einsetzt, erzählte ihr von MigrAr - Migration und Arbeit. Unter dem Dach von MigrAr ist etwa ein Dutzend Hamburger Beratungsstellen vernetzt, die sich für Menschen ohne Aufenthaltstitel einsetzen. Seit Mai 2008 gibt es bei ver.di Hamburg die Anlaufstelle für Migrant/innen ohne gesicherten Aufenthalt. Von ihnen gibt es geschätzt 30000 allein in Hamburg: Illegalisierte Frauen arbeiten häufig als Sexarbeiterinnen, Haushaltshilfen oder Restaurantkräfte, Männer vielfach als Erntehelfer, Reinigungskräfte oder Bauarbeiter. Ihr größtes Problem: Ihnen wird Geld vorenthalten. "Diesen Kolleg/innen wollen wir zu ihrem gerechten Lohn verhelfen", sagt Emilija Mitrović, eine der Gründerinnen von MigrAr. "Was viele Migrant/innen nicht wissen: Du hast in Deutschland die üblichen Arbeitnehmerrechte, auch wenn du keine Papiere hast." Ihr Kollege Peter Bremme von ver.di ergänzt: "Wir wollten uns nicht mit dem Schwarzarbeitertelefon des DGB abfinden, wollten lieber produktiv als repressiv mit dem Thema umgehen. Als Gewerkschafter betrachten wir die Illegalisierten nicht als Konkurrenten, sondern als unterbezahlte Kollegen."

Solidarität von unerwarteter Stelle

Jeden Dienstag von 10 bis 14 Uhr ist die Anlaufstelle, ein schlichtes Büro im ver.di-Center am Besenbinderhof, geöffnet. Rund 200 Migrant/innen haben hier bislang um Hilfe gebeten. Darunter Ana aus Kolumbien. Allerdings hat sie sich erst hierher getraut, nachdem Emilija Mitrović ihr versichern konnte, dass man den Gebäudekomplex zur Not durch die Hintertür verlassen kann. Sicher ist sicher. Ana ist inzwischen ver.dianerin. Mit MigrAr im Rücken konnte sie vor Gericht eine Nachzahlung von ihrem ehemaligen Arbeitgeber einklagen. Inzwischen hat die junge Frau aus Kolumbien einen legalen Status, arbeitet für 10 Euro pro Stunde bei anderen Familien, kann davon eine Wohnung in Hamburg finanzieren und ihre Familie in Kolumbien unterstützen. Am Internationalen Frauentag wurde sie von den Hamburger ver.di-Frauen für ihr mutiges Engagement im Hamburger Rathaus geehrt. Weil es nicht einfach ist, als Illegalisierte vor Gericht zu ziehen. Dort könnte schon die Ausländerpolizei warten. Und Richter/innen, Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, müssen eigentlich die illegalen Kläger/innen melden. Die Erfahrung zeigt: Nicht jeder Arbeitsrichter prüft den Aufenthaltsstatus. Solidarität auch von unerwarteter Seite: Viele illegalisierte Bauarbeiter kommen in die Sprechstunde von MigrAr, weil ihnen die Mitarbeiter von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit den Tipp gegeben haben, vor der drohenden Ausweisung doch wenigsten den gerechten Lohn einzuklagen. "Wir haben das Thema salonfähig gemacht", sagt Emilija Mitrović. "Wir waren im gewerkschaftlichen Bereich die ersten, die den Blick für die Kolleg/innen ohne Papiere geschärft haben." Seitdem können sie nach Arbeitsunfällen im Krankenhaus behandelt werden und ihre Kinder können reguläre Schulen besuchen.

Hans Wille

ver.di hat inzwischen drei weitere Anlaufstellen geöffnet, in Berlin, Frankfurt am Main und München.