Im Bauch der alpha print medien: Von der Rolle in den Druck und hinterher kommt eine Zeitung heraus

Keine Ahnung, wie Sie PUBLIK lesen. Geknickt, gefaltet oder aufgeschlagen. Stellen Sie sich vor, Sie blättern die Seiten auf, legen Seite für Seite aneinander, die gesamte Auflage von knapp zwei Millionen Exemplaren und das über ein ganzes Jahr, also 432 Millionen Druckseiten: Mit PUBLIK könnte man anderthalbmal den Äquator umwickeln. Gedruckt wird die Mitgliederzeitung und fast alles andere, was ver.di publiziert, also Fachbeilagen, Streikaufrufe, Flugblätter, Tarifverträge, "verdi NEWS" und Broschüren bei apm (alpha print medien) im südhessischen Darmstadt. Fragt sich nur, wie das funktioniert, dass die Supermarktkassiererin Erika Musterfrau aus Wiesbaden tatsächlich die richtige PUBLIK im Briefkasten findet: mit der Regionalseite aus Hessen und der Beilage "Handel". Ganz einfach: Erika Musterfraus Adresse ist codiert. Schon der Sammelhefter, der die gedruckten Zeitungsseiten zusammenführt, weiß, was Musterfrau will. Ihr PUBLIK-Exemplar lässt die anderen Fachbeilagen wie "biwifo", die "drei" und "Druck+Papier" links liegen, vorbei an "bewegen", stopp, hier ist sie richtig, die "Handel" fällt in die PUBLIK, zum Schluss wird Musterfraus Adresse aufgedruckt. Raus hier. Die Druckmaschinen sind zwar umkapselt, also lärmgedämpft, aber die Ketten der Transportbänder, in denen jede einzelne PUBLIK hängt, sind fast so laut wie die ratternden Sammelhefter. Gegen die Weiterverarbeitung in einer Druckerei ist die Fließbandproduktion von Autos wohltuend leise.

Streikaufrufe in privatwirtschaftlicher Hand

Schnell ein Flugblatt zur Tarifrunde? Das hat Vorrang, dafür wird eine Maschine frei geräumt, dafür fährt die Belegschaft auch eine Sonderschicht. Schließlich ist apm "unsere Gewerkschaftsdruckerei." Stimmt nicht ganz. Die Hälfte aller Aufträge stammen zwar von Gewerkschaften, die Industriegewerkschaft Metall lässt hier drucken, ebenso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).

Doch Eigentümer sind die Gewerkschaften seit Ende 2006 nicht mehr. ver.di, IG Metall, Transnet und IG BAU verkauften die Druckerei, die ihnen seit 1948 gehörte, an eine Investorengruppe. "Mir wäre es lieber, die Druckerei würde noch den Gewerkschaften gehören", sagt der Betriebsratsvorsitzende Manfred Erbacher. Streikaufrufe und Mitgliederdaten gehörten nicht in privatwirtschaftliche Hände. Allerdings hatten sich die Gewerkschaften als Eigentümer keine Lorbeeren verdient, ergänzt seine Vorgängerin Sabine Hochhaus. 2006 stieg das Minus immer mehr an, die Insolvenz drohte, Löhne wurden nicht ausgezahlt - die Belegschaft protestierte gegen Missmanagement, Vetternwirtschaft und Fehlentscheidungen permanent wechselnder Vorstände und legte die Arbeit nieder. Heute gelten für die 180 Beschäftigten die mit ver.di abgeschlossenen Tarifverträge der Druckindustrie. Damit gehört apm zu den wenigen tarifgebunden Rollenoffsetbetrieben. Zehn Millionen Euro investierten die neuen Eigentümer in neue Maschinen. Zum Beispiel in eine 32-Seiten-Rollenoffsetmaschine. Rollenoffset steht für ein Druckverfahren, bei dem der Maschine das Papier in Rollen zugeführt wird. Darauf wird PUBLIK gedruckt, 45 000 Druckbögen pro Stunde, das ist das maximale Tempo. Reicht aber nicht. Um PUBLIK mitsamt ihren Fachbeilagen und regionalen Seiten rechtzeitig auszuliefern, wird auch die kleinere Rollenoffsetmaschine gebraucht und alle drei Sammelhefter. Maximal fünf Tage dauert die Produktion. Dann geht PUBLIK zur Post und Sie können sie lesen - oder mit ihr den Äquator umwickeln.

Michaela Böhm