Sonja Marko ist in der ver.di-Bundesverwaltung zuständig für Migration

Wir haben eine neue Konsensgruppe "Fachkräftebedarf und Zuwanderung". Und hochrangig ist sie auch noch. Bis zum Herbst 2011 will sie "mehrheits- fähige Vorschläge für eine zukunftsorientierte und strategische Zuwanderungssteuerung erarbeiten". Die Vorschläge sollen dann Bundestag und Bundesrat vorgelegt werden. Wer gehört zu der Gruppe? Und wer hat sie beauftragt?

Die Mehrheit der Mitglieder sind altgediente Politiker/innen, viele längst im Ruhestand, von Theo Waigel, CSU, bis Ludwig Stiegler, Spd. Beauftragt wurden sie von vier Stiftungen, die sich gesellschaftspolitischen Fragen verschrieben haben. Mindestens zwei Tatsachen sind an dem Vorgang bemerkenswert.

Zum einen der immer schriller und in kürzeren Abständen vorgetragene Ruf nach mehr Zuwanderung von Fachkräften. Dass von einem Mangel in absehbarer Zeit nicht die Rede sein kann, hat auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nachgewiesen. Vielmehr haben wir ein Defizit an Förderung von Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Vor allem von Migrant/innen und Frauen nach einer Familienpause. Aber auch junge Ingenieure müssen zwischen 30 und 130 Bewerbungen schreiben, um überhaupt eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten, so das Ergebnis einer Untersuchung der Uni Bremen.

Zum zweiten ist das Vorgehen mit den demokratischen Prinzipien unseres Landes unvereinbar. Die selbstverliebte Selbstermächtigung der Stiftungen und der von ihnen berufenen Vertreter ist nicht akzeptabel. Wenn der Vorsitzende der Gruppe, der ehemalige NRW-Integrationsminister Armin Laschet, CDU, die Existenz der Konsensgruppe damit rechtfertigt, dass das Thema Zuwanderung aus dem Parteienstreit herausgehalten werden soll, ist das ein Hohn. Denn die Gruppe besteht überwiegend aus Politikern, die in der Vergangenheit unfähig waren, beim Thema Zuwanderung konsensbildend zu wirken. Ein Thema aus dem Parteienstreit herauszuhalten heißt, ein Thema aus den demokratischen Meinungsbildungsprozessen herauszuhalten.

Warum verlassen immer mehr junge Fachkräfte aller Nationalitäten unser Land? Warum kamen in den letzen Jahren nur wenige Fachkräfte aus den westlichen EU-Ländern? In Deutschland wird in vielen Branchen für gute Arbeit schlecht bezahlt. Vielerorts stimmen Arbeitsbedingungen und Arbeitsklima nicht. In Weiterbildung wird zu wenig investiert. Nach einer Untersuchung der EU-Kommission fühlen sich die Arbeitnehmer/innen in Deutschland am Arbeitsplatz am wenigsten wohl. Sie beklagen mangelnden Respekt und vermissen eine Wertschätzung ihrer Leistungen. Aus dieser Spirale von Abwanderung, unwürdigen Niedriglöhnen und mangelndem Respekt vieler Arbeitgeber soll uns die Konsensgruppe den Weg für mehr Fachkräftezuzug weisen? Das ist mehr als unwahrscheinlich.