Migrantinnen und Migranten bei ver.di. Ihre Aktion am 7. Mai in Berlin-Mitte war laut und unübersehbar

Von Claudia von Zglinicki

ver.di ist bunt. Aber selten so bunt wie an diesem ersten Samstag im Mai auf der Berliner Schillingbrücke, dicht beim ver.di-Haus. Seit wenigen Tagen gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Mehr als 150 Menschen laufen auf die Brücke, mit ver.di-Fahnen und selbstgemalten Transparenten, die im Wind wehen: "Für ein soziales Europa", "Wir sind viele" und "Herzlich willkommen". Ein "Willkommen" in vielen Sprachen, gerichtet an Menschen aus Ost- und Mitteleuropa, die seit dem 1. Mai nach Deutschland kommen können, um hier zu arbeiten.

Symbolischer Brückenschlag

Die Aktion heißt "Brückenschlag" und ist Teil der 1. Bundesmigrationskonferenz von ver.di. Dabei sind auch die Teilnehmer/innen der Bundeskonferenz des Fachbereichs Besondere Dienstleistungen. In der Mitte des verdi-Getümmels auf der Brücke, das für kurze Zeit Busse und Autos zum Halten zwingt, steht ein schmaler, dunkelhäutiger Mann und ruft eine Frage laut durchs Megaphon: Ob er vielleicht wie ein Mitteleuropäer aussehe? Die Menge lacht. Sie wissen: Er ist tatsächlich auch Mitteleuropäer, der Sudanese und Hamburger Eltayeb Mohamed, der Postler und studierte Archäologe. Bei ihm stehen unter anderem eine Serbin, Türkinnen und Italiener, ein Iraner, eine Hessin aus Polen und ein Peruaner, der in Leipzig lebt. Sie sind aktive Migrantinnen und Migranten bei ver.di. Dies ist ihre Aktion.

Zum ersten Mal tagen die Migrantinnen und Migranten als anerkannte Personengruppe in der Gewerkschaft, zum ersten Mal wird der Bundesmigrationsausschuss nicht nur drei Sprecher wählen, sondern ein reguläres Präsidium mit sechs Leuten. Das brauchen sie jetzt, schließlich sind sie viele, wie es auf der Stoffbahn mit dem Abdruck vieler Hände heißt, einer Kunstaktion des Delegierten Hürriyet Ilhan Isözen. Und schließlich wollen sie noch mehr tun in ihrer Gewerkschaft, noch besser wahrgenommen werden und "Brücke sein zwischen den Menschen, die hier geboren wurden, und denen, die von außen hereinkommen", wie Marie Pozimski, die Hessin aus Polen, es ausdrückt.

Pozimski wurde im Laufe der Konferenz zu einer stellvertretenden Vorsitzenden des Präsidiums gewählt - was sie selbst überrascht hat. Die Arbeiterin aus Offenbach strahlt: "Unsere Aktion Brückenschlag ist wie für mich erfunden. Das ist genau das, was ich will, als aktive Gewerkschafterin, die ich seit ewigen Zeiten bin."

Auf der Brücke redet Eltayeb Mohamed weiter, er heißt die Neuankömmlinge in Deutschland willkommen: "Dies ist auch eure Gewerkschaft! Wir haben gemeinsame Ziele - gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Die europäischen Gewerkschaften fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort!" Beifall rauscht auf. "Wir brauchen faire Regelungen für uns alle. Dazu gehört unbedingt ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland. Wir sind überzeugt, Europa muss sozial und gerecht sein, für alle Menschen!"

Vom Mindestlohn als zentraler Herausforderung sprach auch der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske auf der Migrationskonferenz - wie von der Sorge, der Druck auf die Löhne in Deutschland könne, unter den Bedingungen einer verstärkten Zuwanderung aus Ost- und Mitteleuropa wachsen. Bei vielen Menschen in Polen oder im Baltikum sprächen handfeste Gründe dafür, sich zu überlegen, ob man woanders besser zurechtkommen könnte. Zuwanderer/innen kämen eher in Bereiche mit gering qualifizierten Tätigkeiten, das träfe dort besonders Einheimische mit niedriger Qualifizierung und Migranten.

"Nur der gesetzliche Mindestlohn schafft Rahmenbedingungen gegen Lohndumping", so Frank Bsirske. "Das zeigt auch die Erfahrung unserer britischen und irischen Schwestergewerkschaften. Er kommt für uns als Forderung erst dann vom Tisch, wenn wir ihn haben. Und er wird kommen; der Geist ist aus der Flasche und kann nicht mehr zurückgedrängt werden."

Herausforderung Wanderarbeiter

Auch Savas Tetik war Gast der Konferenz. Der Reisefachmann aus München berichtete den Delegierten über die ver.di-Beratung für rumänische und bulgarische Arbeiter, die nur mit Gewerbeschein hier arbeiten. Er ist als ehrenamtlicher Übersetzer dabei und sehr froh darüber, dass es gelungen ist, im Laufe der letzten zehn Monate schon 300 Männer und Frauen für ver.di zu gewinnen. Sie erhalten jetzt Rechtsbeistand gegen betrügerische Subunternehmer. "Selbst Stundenlöhne von drei Euro müssen wir oft mit ihnen und für sie einklagen", sagt Tetik. Und: "Bei Arbeitsunfällen wurden schon schwer verletzte Arbeiter in den Bus gesetzt und zurück nach Bulgarien gebracht - ohne ärztliche Behandlung."

Gemeinsam mit seiner Frau arbeitet Savas Tetik auch in Kindergärten und Schulen als professioneller Geschichten- und Märchenerzähler. Doch es ist eine wahre Geschichte, als er erzählt, was einer der von ver.di betreuten Männer ihm gesagt hat: "Als Mitglied bei ver.di fühle ich mich hier endlich als Mensch."

Mehr Vielfalt, mehr Beteiligung

Dass die Arbeit jetzt erst richtig losgeht, sagen viele Delegierte auf der Bundesmigrationskonferenz. Sie haben alle noch andere Ehrenämter, dort, wo sie wohnen, oder in ihren ver.di-Fachbereichen, sie sind Personal- oder Betriebsräte und Vertrauensleute. Umso wichtiger ist ihnen, dass viele Neue gewonnen werden.

"Migrationsarbeit in ver.di lebt von den Impulsen aus den Landesbezirken, und zwar aus allen", betont Eltayeb Mohamed. Er wünscht sich Ideen von überallher - wie die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic, die nachdrücklich mehr Vielfalt fordert, mehr Beteiligung von Menschen aller Nationalitäten und vor allem von noch mehr Frauen. Auf der Konferenz hat sie angeregt, einen Arbeitskreis für Migrantinnen zu gründen. Interessierte fand sie sofort, weitere sind "willkommen" - wie es in einer Botschaft der Konferenz heißt.

www.migration.verdi.de