Seit Beginn der revolutionären Demokratiebewegung gehen dem Land am Nil die Touristenströme aus. Es gibt zwar noch Reisende, aber den Jobmotor Tourismus im von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Ägypten können sie nicht antreiben

Sicherheit geht vor am Flughafen von Kairo

Von Birgit Svensson

Es ist eine der Toplagen am Nil. Nur die Uferstraße trennt das Novotel El Borg von der lebenswichtigen Wasserader Ägyptens. Dahinter erheben sich das Opernhaus und der in den 1960ern erbaute Kairo-Turm, der wie eine Lotusblüte aussieht. Erst zwei Jahre ist es her, dass in das ehemalige "Haus des Lehrers" das Vier-Sterne-Hotel eingezogen ist. Sensibel wurde die Bausubstanz des 1950 erbauten Hauses erhalten und der Gebäudekomplex zu einem modernen Beherbergungsbetrieb umfunktioniert. Noch im Dezember musste man sich Wochen vorher anmelden, um dort ein Zimmer zu bekommen. Die Preise lagen zwischen 150 und 200 Euro. Jetzt wird Personal entlassen, die Preise purzeln. Das Doppelzimmer kann nun ab 53 Euro gebucht werden. Die Gäste bleiben aus. Das Haus liegt nur zehn Gehminuten vom Tahrir-Platz entfernt, dem Epizentrum der ägyptischen Revolution.

Wie keine andere Stadt in Ägypten leidet Kairo unter dem Einbruch im Tourismus seit Ausbruch der Revolte Ende Januar. In der Hauptstadt ist der Rückgang der Besucher am extremsten. Wochenlang haben vor allem westliche Botschaften ihre Landsleute vor Reisen nach Kairo, Alexandria und Suez gewarnt, den Hochburgen der Rebellion. Das scheint noch im Gedächtnis der Menschen und vor allem der Reiseveranstalter verankert zu sein, obwohl sich die Lage schon seit Ende Februar beruhigt hat, und nur noch sporadisch Demonstrationen stattfinden.

Die neuesten Zahlen des ägyptischen Statistikamtes zeigen diese anhaltende Furcht nur allzu deutlich: Im Juni kamen knapp 30 Prozent weniger Touristen ins Pharaonenland als ein Jahr zuvor. Während 2010 stolze 1,03 Millionen Besucher im ersten Sommermonat an den Nil kamen, waren es in diesem Jahr nur 732.000. Bei den Touristen aus westlichen Ländern ist gar ein Rückgang um über 35 Prozent zu verzeichnen. Über die gesamtwirtschaftlichen Verluste, die der politische Umbruch am Nil verursacht, gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Sie dürften aber in die Milliarden gehen.

Eine Million Besucher - das schafft 200.000 Arbeitsplätze

Für die Ägypter ist dies ein herber Schlag, denn vor allem die Einnahmen vom Tourismus sind für das Land enorm wichtig. Sie machen elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus und finanzieren offiziell 13 Prozent der ägyptischen Beschäftigten. Allein eine Million Besucher bringen 200.000 Arbeitsplätze - so das Statistikamt in Kairo. Im Rekordjahr 2010 kamen 14 Millionen Touristen, ein Segen für das mit 80 Millionen Einwohnern größte Land im Nahen Osten und einer Arbeitslosenquote von bis zu 25 Prozent. Ernst zu nehmende Schätzungen besagen, dass jeder sechste Ägypter direkt oder indirekt finanziell vom Tourismus abhängt.

So ist das Unverständnis über die jetzt ausbleibenden Besucher groß, zumal "wir doch nur für Demokratie kämpfen", wie Ibrahim Hassan verzweifelt anmerkt. Zwar ist die Situation an den Pyramiden von Gizeh nicht mehr so dramatisch wie im März, als man die Touristen an einer Hand abzählen konnte. Doch der Souvenirhändler klagt, dass jetzt meist nur Individualreisende die Monumente der Antike besuchen, Gruppen aber weitgehend ausbleiben. Doch gerade die Gruppen- und Pauschaltouristen waren diejenigen, die bei ihm eingekauft haben. "Wenn die Leute wenig für die Reise bezahlen, geben sie mehr für Dinge nebenbei aus", ist Ibrahims Erfahrung.

"Ehrlich gesagt, wissen wir noch nicht, wie die Wintersaison aussehen wird", sagt Rolf Raima, Regionaldirektor für die Steigenberger Hotelkette im Nahen Osten. Die Unsicherheit über die politische Zukunft des Nillandes und der ungewisse Ausgang der für November angesetzten ersten Parlamentswahlen nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak lassen längerfristige Planungen nicht zu. Zwar kann Raima über die Auslastung seiner beiden Hotels am Roten Meer derzeit nicht klagen. Mit 75 Prozent Belegung in Hurghada führt Steigenberger momentan den "competition report" für die Region an, gefolgt von Marriott (70 Prozent) und Intercontinental (66 Prozent). Der sogenannte Wettbewerbsbericht ist eine freiwillige, wöchentliche Marktanalyse der Fünf-Sterne-Hotels in den Touristenhochburgen Hurghada und El Gouna und gibt Aufschluss über die jeweilige Situation. Daraus wird ersichtlich, dass die Einbußen im oberen Segment der Hotellerie in Ägypten den Durchschnittszahlen des Statistikamtes nicht entsprechen. Die Reservierungen für September erreichten bei Steigenberger sogar Vorjahresniveau, so Raima.

Dafür seien die Auslastungen in den Drei-Sterne-Betrieben und darunter eine Katastrophe, berichtet Akram Ismail von "Safir Travel" in Kairo. Der junge Ägypter ist einer derjenigen, die den Boom der letzten Jahre ausgenutzt und eine eigene Firma angemeldet haben. Insgesamt gibt es in Ägypten heute 2000 eingetragene Touristikunternehmen im Vergleich zu 1334 im Jahre 2006. Ismail kümmert sich vor allem um junge Touristen, die oft mit Rucksack und wenig Geld am Nil ankommen. Oder um Familien mit Kindern, deren Reisebudgets ebenfalls begrenzt sind. Für sie entstanden in den letzten Jahren unzählige kleine Hotels und Hostels.

Nur noch wenige und teure Flüge

"Doch nun bieten in der Krise die Luxushotels Zimmer zum Spottpreis an, nur um ihre Häuser zu füllen", kritisiert der Reiseunternehmer die Vorgehensweise von Rolf Raima und seinen Kollegen. Die Drei-Sterne-Hotels hätten dadurch lediglich 30 Prozent Auslastung. Raima indes nennt noch einen weiteren Grund für die ausbleibenden Touristen: "Es gibt einfach nicht genug Flüge." Fluggesellschaften wie Condor und Air Berlin hätten nach den Unruhen im Januar jede Menge Flüge nach Ägypten gestrichen. Die noch verbleibenden Flüge seien daher entsprechend teuer. Selbst wenn die Hotels ihre Zimmerpreise reduzierten, folgert Raima, werde die Reise aufgrund der erhöhten Flugkosten unterm Strich nicht günstiger.