Straße ins Nirgendwo

Von Vanessa Burkert

Es ist Dienstagmittag, 15 Uhr. Eigentlich hat Christopher, der an der Universität Mainz Soziologie studiert, jetzt Unischluss und frei. Er könnte sich in Ruhe auf seine morgigen Veranstaltungen vorbereiten. Doch er muss noch zu seinem Nebenjob, ob er will oder nicht. Denn "ohne Job kein Studium", erzählt Christopher. Er ist eines der wenigen Arbeiterkinder an deutschen Universitäten. Seine Mutter ist Kassiererin in einem Supermarkt, sein Vater arbeitet als Angestellter bei der Stadt.

Über Wasser halten

"Viele andere Studenten sind nicht auf ihren Nebenjob angewiesen. Die machen das, um mehr Geld für Parties oder sonst was zu haben", sagt der Jugendliche, der diese Woche das letzte Mal zur Arbeit geht. Die Firma, in der er arbeitet, hat ihm gekündigt. Lange kann er ohne Nebenjob nicht leben, dafür kostet das Leben als Student zu viel. Für viele sind die Studiengebühren in einzelnen Bundesländern ein Grund dafür. Sechs Prozent der Arbeiterkinder werden von den Studiengebühren abgeschreckt. Doch auch für jemanden wie Christopher, der in Rheinland-Pfalz keine Studiengebühren zahlen muss, sind die Kosten durch Miete, Essen, Bücher hoch. "Da komme ich mit meinem Kindergeld, den 100 Euro BAföG und ein bisschen Geld von meinen Eltern nicht weit. Deshalb habe ich keine andere Wahl, als nebenher arbeiten zu gehen!"

Seine Eltern haben ihm vor dem Studium gesagt, er solle eine Ausbildung machen. "Da verdient man gleich was", war das Argument. Doch das kam für ihn nicht in Frage. Christopher wollte studieren, auch wenn das mit Problemen verbunden ist. In der Zeit zwischen Abitur und Studienbeginn ging er arbeiten, um ein bisschen Geld für die Studienzeit zu sparen. "Wäre ich zum Beispiel an einer Universität in Baden-Württemberg genommen worden, wäre dieses Geld schon für die Studiengebühren draufgegangen."

Auch an anderen Punkten merkte er schnell, dass Studieren ohne Akademiker-Eltern schwerer ist. "Wenn man Fragen zur Bewerbung hat, ist man auf sich alleine gestellt." Die Hilfe, die man sich von den Universitäten oder Berufsberatungsstellen erhofft, besteht oft nur aus einer Hotline, die schwer zu erreichen ist. "Wenn man erstmal an der Uni ist, wird das einfacher. Da gibt es dann Freunde, Studienbüros oder die Studienberatungen. Aber der Weg bis dahin ist schwer", berichtet der Student. Hätte Christopher 1985 studieren wollen, hätte er wohl nicht solche Probleme gehabt. Zu dieser Zeit kamen noch 37 Prozent der Studenten aus Arbeiterfamilien. Damals scheint es für Kinder mit diesem sozialen Familienstatus weniger schwierig gewesen zu sein, ein Studium zu beginnen.

Chris hat jetzt noch ein paar Tage Zeit, um eine neue Arbeit zu finden, die ihn über Wasser hält. Wie es weiter geht, wenn er keine Arbeit findet, weiß er nicht genau.