Hanno Sombach

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) hat 2011 eine Studie veröffentlicht. Demnach sind 76 Prozent aller deutschen Internet-User in sozialen Netzwerken aktiv. Kein Wunder, dass Unternehmen da eine neue Basis für interne Kommunikation vermuten. Social Network ist das Zauberwort, das auch die Allianz Versicherung gelockt hat. Tina Scholze sprach mit Betriebsrat Hanno Sombach von der ver.di-Betriebsgruppe der Münchener Allianz Betriebe.

ver.di PUBLIK | Projekt neue Kommunikation in Betrieben: Die Allianz hatte da so eine Idee. Erzähl doch bitte, worum es ging.

HANNO SOMBACH | Einige Führungskräfte wollten eine neue Art der Kommunikation aufbauen. Vielen Beschäftigten fehlt die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen. Deshalb hatte sich das Management entschieden, eine neue Social Media Plattform namens "Yammer" einzuführen.

ver.di PUBLIK | Was war das Neue an "Yammer"?

SOMBACH | Eigentlich nichts. Es ist ähnlich aufgebaut wie Facebook, nur dass es speziell für Firmen als abgeschlossene Community funktioniert. Es gibt Gruppen und man kann Beiträge einstellen, die andere wiederum mit einem "Like-Button" oder mit Kommentaren versehen können. Neu war eigentlich nur, dass die Arbeitgeber meinten, die Einführung und Nutzung müsste nicht groß reglementiert werden.

ver.di PUBLIK | Es gab also keine Betriebsvereinbarung dazu?

SOMBACH | Es gab eine "Policy", eine Art Knigge für den höflichen Umgang untereinander. Das anfänglich kleine Testfeld hat die Unberechenbarkeit von Social Media jedoch unterschätzt.

ver.di PUBLIK | Was ist da aus dem Ruder gelaufen?

SOMBACH | "Yammer" wurde in der Zeit der Tarifverhandlungen eingeführt. Das haben wir dann als ver.di-Aktive genutzt, um die Beschäftigten zu informieren. Wir haben mit wenig Aufwand und ein paar Leuten aus Betriebsgruppe und Betriebsrat unsere Kolleginnen und Kollegen aktuell auf den neuesten Stand gebracht. Natürlich gab es viele Kommentare, aber auch Nachfragen. Die Gruppe "Tarif" hatte die meisten Beiträge. Irgendwann haben auch die Chefs mitgemischt und das Thema blieb meist "on top". Aber es hat die Unternehmensleitung schon auch ein bisschen gestört, dass gerade dieses Thema auf so viel Resonanz gestoßen ist. Der Witz: Jeder Kommentar oder Beitrag hierzu war ein "bump" des Themas in die Top-Position.

ver.di PUBLIK | Hatte das Konsequenzen?

SOMBACH | Ja. Sie haben "Yammer" pünktlich zum Ende der Tarifrunde eingestellt. Im Moment gibt es Verhandlungen mit dem Betriebsrat, wie man einen neuen Weg für Micro-Blogging in der Allianz zur Verfügung stellt.

ver.di PUBLIK | Welche Chancen oder Gefahren könnte es aus Betriebsratssicht bei dem Thema geben?

SOMBACH | Ich bin kein Freund von Restriktionen, finde aber vor allem wichtig, dass solche Angebote nur unter Regelungen, also auch Betriebsvereinbarungen, installiert werden. Die Beschäftigten brauchen diesen Schutz ebenso wie die Unternehmensleitung. Nur so haben alle Beteiligte der Blogging-Gemeinde auch das Vertrauen, dass die Zahl potenzieller Konflikte niedrig bleibt und Lösungen schnell gefunden werden. Dann sind auch die Chancen ausschöpfbar. Diese liegen für mich in der viel leichteren Kontaktaufnahme im globalen Raum hin zur - über alle Medien nutzbaren - Kommunikation bis zu einer effizienteren Zusammenarbeit.

ver.di PUBLIK | Aus deinen Erfahrungen mit dem Testfeld: Was möchtest du für das nächste Social-Media-Projekt deinem Arbeitgeber raten?

SOMBACH | Eine Sache sollten Arbeitgeber sich aus dem Kopf schlagen: Enterprise Social Media ist nicht das Allheilmittel für zerschlagene Strukturen und die daraus resultierenden Kommunikationsprobleme. Wer darin eine Wunderwaffe erhofft, die so genannte "Schwarmintelligenz" als Heilmittel für Managementfehler aufsteigen lässt, ist auf dem Holzweg. Es tut gut zu sehen, dass wir alle - vom Betriebsrat bis zur Geschäftsleitung - in kurzer Zeit sehr viel gelernt haben. Jetzt gilt es dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der Erkenntnisse nicht einseitig erfolgt.