Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will niedrige Renten aufstocken. Allerdings sind die Bedingungen dafür so hoch, dass nur wenige Rentner/innen davon profitieren können

Für viele reicht die Rente nicht zum Leben

Margarete Schäfer* ist 60 Jahre alt. Morgens um halb drei beginnt ihr Tag. Dann macht sie sich fertig, um pünktlich um vier Uhr morgens in Berlin-Neukölln zu sein. Dort trägt sie täglich drei Stunden lang Zeitungen aus. Das Zeitungsaustragen ist ein Minijob. Knapp 400 Euro verdient Margarete Schäfer damit monatlich. So bessert sie schon heute ihr karges Gehalt als Teilzeitbeschäftigte im Bewachungsgewerbe auf. Sie weiß bereits, dass ihre Rente niedrig sein wird. Grundsicherung im Alter will sie dann nicht beantragen, da würde sie sich schämen.

Frauen wie Margarete Schäfer sollen künftig einen Anspruch auf einen Zuschuss zu ihrer Rente haben und so auf ein monatliches Einkommen von 850 Euro kommen. So denkt sich das zur Zeit zumindest Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Im Zuge des von ihr ins Leben gerufenen "Regierungsdialogs Rente", an dem Gewerkschaften, Sozialverbände, Arbeitgebervertreter und die Deutsche Rentenversicherung Bund teilnehmen, stellte sie im September ihre Zuschuss-Rente vor, mit der sie die Altersarmut bekämpfen will. Wer "wenig verdient, aber lange gearbeitet und zusätzlich vorgesorgt" hat, soll ab 2013 den Zuschuss zur niedrigen Rente bekommen. Die Rente eines Ehepartners wird dabei angerechnet.

Auch wenn diese Zuschuss-Rente mit erleichterten Bedingungen starten soll, sind die Hürden immens hoch. Wer mehr als nur den Hartz-IV-Satz als Grundsicherung im Alter erhalten will, muss - zumindest bis 2022 - 40 rentenrechtlich anerkannte Versicherungsjahre vorweisen können; ab 2022 sind es 45 Jahre. Dazu zählen Beschäftigung, Schulbildung ab dem 17. Lebensjahr, Studium, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Mutterschutz. Kompliziert wird es bei der zweiten Voraussetzung: Von den 40 Versicherungsjahren müssen mindestens 30 Jahre lang Beiträge an die Rentenversicherung bezahlt worden sein, ab 2023 gelten 35 Jahre Pflichtbeitragszeiten. Hier werden neben Beschäftigung und Selbstständigkeit auch Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege von Familienangehörigen angerechnet. Auf diese Weise will von der Leyen insbesondere Frauen von ihrer Zuschuss-Rente profitieren lassen. Immerhin haben Frauen aufgrund ihrer oft prekären Beschäftigung in Teilzeitjobs ein weitaus höheres Armutsrisiko als Männer - zumal wenn sie Alleinerziehende sind. Eine Zuschuss-Rente soll ihnen zustehen, egal, ob sie Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet haben.

Nichts für Minijobberinnen

Rund 4,2 Millionen Frauen arbeiteten im März dieses Jahres als Minijobberinnen. Die pauschalen Beiträge des Arbeitgebers zählen bei den Vorraussetzungen für die Zuschuss-Rente nicht. Nur wenn die Frauen freiwillig aufstocken und bei einem Verdienst von 400 Euro dann 19,60 Euro monatlich in die Rentenversicherung eingezahlt haben, sollen die Zeiten anerkannt werden. Die meisten dieser Frauen werden auch die dritte Voraussetzung nicht erfüllen können: Wer 850 Euro Zuschuss-Rente erhalten will, muss bis 2017 mindestens fünf Jahre zusätzlich vorgesorgt haben, zum Beispiel mit einer Riester-Rente. Ab 2018 bis 2047 ist bei dieser Voraussetzung jedes Jahr ein weiteres Jahr erforderlich. 2047 muss man demzufolge 35 Jahre lang in eine private zusätzliche Altersvorsorge gezahlt haben.

Daher wird auch Margareta Schäfer nichts von der Zuschuss-Rente haben, selbst wenn sie erst 2016 mit Erreichen ihrer Regelaltersgrenze von 65 Jahren und fünf Monaten in Rente geht. Denn sie hatte nie Geld für eine zusätzliche Altersvorsorge.

"Es geht dabei um die Riester-Rente", sagt eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums. Auch Geringverdiener sollten wenigstens fünf Euro monatlich für die private Vorsorge aufbringen können. "Die Zuschuss-Rente wird erklärtermaßen keine "Grundsicherung de luxe", heißt es in der Presseerklärung ihres Minsteriums. 17.000 Menschen, die ab 2013 in Rente gehen, sollen dann erstmals von der Zuschuss-Rente profitieren. Bezahlt werden soll sie aus Steuermitteln.

"Dieser Zuschuss macht die jetzige Rentenversicherung nicht armutsfest", sagt Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik bei ver.di. Das erklärte Ziel des Regierungsdialogs, die Altersarmut von den Ursachen her anzugehen, sei mit von der Leyens Vorstoß klar verfehlt. "Die Rentenversicherung kann kein Reparaturbetrieb für verfehlte Arbeitsmarktpolitik sein", meint Kerschbaumer. Statt eines Zuschusses gelte es, Löhne zu zahlen, die eine ausreichende Rente im Alter gewährleisten. Dafür müsse prekäre Beschäftigung eingedämmt werden, Minijobs müssten gänzlich verschwinden und ein gesetzlicher Mindestlohn müsse her.

Außerdem plane von der Leyen für das Jahr 2012 eine Senkung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sollte der Satz von heute 19,9 auf 19,5 Prozent gesenkt werden, so fehlen der Rentenversicherung rund vier bis fünf Milliarden Euro. "Geld", so Kerschbaumer, "das für Leistungsverbesserungen für weit mehr als 17.000 Rentnerinnen und Rentner ausreichen würde."

Name geändert