Vertrauensleute: Hier werden sie mit Hintergrundwissen versorgt

Von Renate Bastian

Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen steht an, und seit Wochen schon ist ihre Vorbereitung in Gang. Ende Januar haben sich rund 20 mittelhessische Vertrauensleute zusammengetan, um einmal etwas Neues zu versuchen. Sie wollen nicht immer nur Flugblätter verteilen, die andere geschrieben haben. Daher trafen sich Vertrauensleute aus dem Nahverkehr, den Stadtwerken, Sparkassen, der kommunalen Verwaltung, den Sozial- und Erziehungsdiensten, der Entsorgung und dem Job-Center im Gladenbacher Bildungszentrum.

Da mache ich mit

Einen Nachmittag lang verschaffen sie sich zunächst Hintergrundwissen. Einig war man sich darin, dass es eine kräftige Erhöhung für den Geldbeutel geben muss. Das Wort "moderat" wurde zum Unwort für die Tarifbewegung erklärt. Man will Kraft entfalten, bis hin zu Streiks. Anschließend ging es - gedanklich - dann wieder in den Betrieb. Schwerpunktthema: Wie kann die Neugierde der Beschäftigten geweckt werden - abseits der eingetretenen und manchmal auch mit Vorurteilen gepflasterten Pfade. Glücklich schätzen sich die Vertrauensleute, wenn sie eine Reaktion erzielen wie: "Tarifbewegung? Oh, das interessiert mich und das geht mich an. Da mach' ich glatt mit." Wichtig aber sei es, die Stimmung im Betrieb genau zu kennen und jede Form von Schulmeisterei strikt zu vermeiden.

Folgende Aktionsbeispiele sind entstanden: Es wurden Karten für Wortspiele geschrieben, die man im Betrieb anbringen kann, etwa "Am Ende des Geldes habe ich noch viel Monat übrig". Oder als kleine Aufkleber zum Beispiel am Spiegel in der Toilette: "Bald geht's los"; später: "Jetzt geht's los"; dann: "Da ist was los" und als Frage an das eigene Spiegelbild: "Was ist mit mir los?" "Wann geht's mit mir los?"

Smilies - mal fröhlich, mal traurig - an der Wand oder auf dem Fußboden, das Für und Wider der Forderung. In kurzen, knackigen Worten. Oder Bodenpunkte. Auf großen Plastikkreisen wird gefragt: Hast Du auch ein Loch im Geldbeutel? Wie stopfen wir es? Machst Du mit? Bei diesen Punkten hält vielleicht manche und mancher inne. Als Klammer für all diese Szenarien kann auf der Webseite des Bezirks nachgesehen werden, wer was wann wo macht und mit welchem Erfolg. Oberstes Gebot: Die Sprache der Kolleg/innen sprechen. Ruhig nachfragen, was sie von einer Formulierung halten. Zweites Gebot: weg vom Gewerkschaftsjargon, hin zum ganz normalen Umgangston. Drittes Gebot: Nicht alles auf einmal sagen wollen. Viertes Gebot: keine zu großen kämpferischen Versprechungen. Beachtet man dies, gelingt auch das fünfte Gebot: aktiv für mehr Geld in der Tarifrunde.

Dass muss anders werden

Oftmals startet eine Tarifrunde so: Die Experten von ver.di stellen eine Fülle von Informationen und Argumentationen zusammen. Dazu gibt es ein Seminar. Dann Konferenzen, an deren Ende die Forderung steht. Mit dem geballten Wissen gehen dann die Aktiven auf die Beschäftigten los und versuchen, sie von der eigenen Überzeugung zu überzeugen. Es regnet Flugblätter, Gespräche und Versammlungen. Und trotz aller Anstrengung läuft die Mobilisierung zäh. Das muss anders werden.