Begonnen haben die Konflikte Mitte der 1990er Jahre, als diakonische Betriebe anfingen, Niedriglöhne im Hauswirtschaftsbereich durchzusetzen. Sie vereinbarten Löhne und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten von Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen in arbeitsrechtlichen Kommissionen nach kirchlichem Recht - dem sogenannten Dritten Weg.

Inzwischen wird in nur noch etwa einem Drittel der diakonischen Krankenhäuser, Pflegeheime, Sozialstationen etc. nach dem Tarif des Öffentlichen Dienstes bezahlt. In den übrigen Einrichtungen gibt es Arbeitsvertragsrichtlinien auf Basis des kirchlichen Sonderrechts in unterschiedlichen Ausprägungen - mit bisweilen sinkenden Löhnen, so etwa beim Großkonzern Agaplesion. Hauptkritikpunkte von ver.di: Bei der Lohnfindung im Dritten Weg sind die Beschäftigten in den arbeitsrechtlichen Kommissionen von vornherein unterlegen, weil sie auf betrieblicher Ebene nicht unabhängig vom Arbeitgeber agieren können. Vor allem wird ihnen das Streikrecht vorenthalten.

Die Folge: Krankenschwestern, Pflegepersonal, Ärzte und Verwaltungsbeschäftigte, deren Löhne auf dem Dritten Weg ausgehandelt wurden, verdienen häufig weniger als Kolleg/innen in Krankenhausbetrieben mit Tarifverträgen nach weltlichem Recht. Die Lohnspreizung nimmt kontinuierlich zu. "Inzwischen sind es für eine Krankenschwester bis zu 400 Euro weniger. Der Dritte Weg ist gescheitert", sagt Nicole Hartmann, 42, Pflegewirtin und Mitarbeitervertreterin in der Freistellung im Elisabethenstift in Darmstadt. Neue Mitarbeiter/innen lassen sich für den Betrieb, der zum Agaplesion-Konzern gehört, immer schwerer finden. Hartmann kämpft weiter für den Tarifvertrag. Auch ein Streik scheint möglich.

Gestreikt wurde in den letzten Jahren in vielen Betrieben der Diakonie, auch im Agaplesion Diakonieklinikum in Hamburg, im Krankenhaus Bethel in Bückeburg,in der Diakonischen Dachstiftung in Hannover und verschiedenen Einrichtungen in Westfalen. Die Arbeitgeberseite zog vor Gericht, berief sich auf den Dritten Weg und ihr Selbstverwaltungsrecht. Das Mittel Streik könne nicht durch Kirchengesetze ausgeschlossen werden, argumentiert ver.di. Diese Auffassung teilte auch das Landesarbeitsgericht Hamm. Vor dem Bundesarbeitsgericht hat ver.di nun erneut Recht bekommen. Das kategorische Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen ist gefallen, ver.di durfte zu den Streiks aufrufen. Der Kampf um gute Löhne und Arbeitsbedingungen wird weitergehen: ver.di strebt einen Tarifvertrag Soziales für alle Akteure an, mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege ebenso wie mit den kirchlichen Einrichtungen, um dem Unterbietungswettbewerb ein Ende zu setzen. Marion Lühring

Aktenzeichen 1 AZR 179/11

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