Ausgabe 02/2013
Wer nicht ausbildet, muss zahlen
Ein zwei Meter hoher Turm aus vielen Klötzen steht Mitte März vor dem Gewandhaus in Leipzig. Drinnen tagt die Belegschaft der Leipziger Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (LVV). Draußen ziehen Jugendliche einen Holzklotz nach dem anderen aus dem dadurch immer wackeliger werdenden Turm. Was als beliebtes Familienspiel Spaß macht, zeigt für die LVV-Azubis den bitteren Ernst des Lebens. Werden sie nicht übernommen und füllen damit die Lücken in der Belegschaft, die entstehen, wenn ältere Kolleg/innen ausscheiden, stürzt der Turm ein. Genau das passiert bei dieser Aktion, mit der die ver.di Jugend und die 200 LVV-Azubis ihre Forderung nach Übernahme bei den laufenden Tarifverhandlungen bekräftigen.
Die zum Konzern gehörenden Unternehmen wie die Stadtwerke oder die Verkehrsbetriebe regeln die Übernahme bislang unterschiedlich. Hier soll eine einheitliche Linie her, sagt Lydia Taubert, Jugendsekretärin im ver.di-Bezirk Leipzig/Nordsachsen. Ähnlich wie in Leipzig kämpfen bundesweit viele Auszubildende bei Tarifrunden für eine Übernahme - und damit für ihre Zukunft. Für junge Menschen wird es immer schwieriger, ins Berufsleben einzusteigen. Praktika, befristete und prekäre Arbeit sind für sie häufig Alltag. Dass es anders geht, hat sich jüngst erst wieder in der Tarifrunde der Länder gezeigt. Hier hatten die Azubis mit ihrer Forderung nach unbefristeter Übernahme Erfolg.
Angebot an Ausbildungsplätzen sinkt
Doch die Übernahme ist fast schon der zweite Schritt ins Berufsleben. Die erste Hürde ist die Suche nach einem Ausbildungsplatz. Mitte März sind Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht bekannt geworden, nach denen das Ausbildungsplatzangebot 2012 um 2,4 Prozent zurückgegangen ist. "Nicht ausbilden wollen und sich gleichzeitig über einen Fachkräftemangel beschweren, das passt für uns nicht zusammen", kritisiert Beate Mensch, die im ver.di-Bundesvorstand für den Bereich Jugend zuständig ist. Sie bekräftigte die ver.di-Forderung nach einer Ausbildungsumlage, denn nur noch 21,7 Prozent aller Betriebe in Deutschland bilden aus. Zahlen sollen die Umlage Betriebe, die nicht ausbilden. Mit dem Geld sollen Ausbildungsbetriebe gefördert werden. Aus dem Berufsbildungsbericht geht auch hervor, dass 1,39 Millionen der 20- bis 29-Jährigen in Deutschland keine abgeschlossene Berufsausbildung haben.
In Europa sind mittlerweile 5,7 Millionen junge Menschen arbeitslos, allein in Griechenland und Spanien ist jeder Zweite betroffen. In Portugal liegt die Arbeitslosenquote der unter 24-Jährigen bei 38,6 Prozent. "Eine würdige Beschäftigung ist schwierig zu finden" sagt Débora Alves, Präsidentin des Jugendausschusses des portugiesischen Gewerkschaftsbundes UGT. Oft seien sie langzeitarbeitslos, das mache sie mutlos. Sie fänden oft nur atypische und prekäre Beschäftigung. "Das alles trägt dazu bei, dass die Jugendlichen immer später unabhängig werden von ihren Eltern", sagt Alves. Von Eltern, die selbst die Folgen der Krise spüren. "Die Jugendlichen zahlen einen hohen Preis für die Krise und die Sparpolitik", sagt die junge Gewerkschafterin. Sie fordert ein europaweites Konzept, das Investitionen fördert, die nachhaltige Beschäftigung schaffen.
Gewerkschaften protestieren in Brüssel
Auf die Straßen Brüssels getragen haben diese Forderung Mitte März rund 10.000 Gewerkschafter/innen bei Aktionstagen des Europäischen Gewerkschaftsbundes anlässlich des EU-Gipfels. Bei den Aktionen standen Forderungen für die Jugendlichen im Mittelpunkt. Und auch für die deutsche Gewerkschaftsjugend ist die Situation Jugendlicher in Europa ein wichtiger Bestandteil ihrer Ansagen zur Bundestagswahl (siehe Randspalte).