Ab 2011 sollen die Jobcenter verselbstständigt werden. ver.di befürchtet weitere Nachteile für die Bezieher/innen von Arbeitslosengeld II und fordert Betreuung aus einer Hand

Noch sind die Jobcenter mit unter dem Dach der Bundesagentur

Die Jobcenter sollen reformiert werden. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung Ende 2007 in einem Urteil aufgefordert (Az 2 BvR 2433/04; 2 BvR 2434/04). Die Arbeitsgemeinschaften (Argen) seien als Gemeinschaftseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit und kommunaler Träger in der bestehenden Form nicht zulässig. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem die Regierung das Problem angehen will. Kern der Reform: Die 370 Jobcenter mit ihren 59000 Beschäftigten sollen ab 2011 in öffentlich-rechtlich organisierte Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) übergehen.

Damit diese neuen Zentren auch rechtmäßig sind, will die Koalition das Grundgesetz ändern. Allerdings hatten die Richter ausdrücklich bemängelt, dass durch die Mischträgerschaft für die Bürger/innen das Handeln einer Verwaltung nicht klar einer Ebene zuzuordnen sei. Daran würde sich mit der Einrichtung der ZAG nichts ändern.

Durch die Reform würden die beiden Rechtskreise - das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (Alg) I, geregelt im Sozialgesetzbuch (SGB) III, und das steuerfinanzierte Alg II, geregelt im SGB II - auch organisatorisch getrennt. Die Folge der Reform: Die gesamte Verwaltung von Hartz-IV-Leistungen wird selbstständig. "Das bringt den betroffenen Leistungsempfängern überhaupt nichts. Für die Beschäftigten ergeben sich nur Verschlechterungen, weil ihre bisherigen Vertretungsstrukturen zerschlagen werden. Die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind nicht klar geregelt, es gibt zwischen ZAG, Ländern und Bund zwar ein komplexes Steuerungssystem, aber es ist unklar, ob es funktioniert", sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Elke Hannack.

Die Eigenständigkeit jedes einzelnen ZAG würde zum Beispiel für Berlin bedeuten, dass die heutigen zwölf Jobcenter nach der Reform ohne den Einfluss des Landes oder der Bezirke tätig wären - und damit auch nicht koordiniert für die gesamte Stadt. "Die Berliner Landes- und Kommunalpolitik würde sich mit einer solchen Neuorganisation aus der direkten Verantwortung für die Betreuung von über 600000 Bürgerinnen und Bürgern verabschieden und die Ausgliederung kommunaler Leistungen vorantreiben", sagt Uwe Januszewski, Hauptpersonalratsvorsitzender des Landes Berlin.

Raus aus der Tarifbindung

Karl Obermann, Vorsitzender der ver.di-Fachgruppe Arbeitsverwaltung, befürchtet, dass dann "jeder Kirchturm zwangsläufig seine eigene Politik macht". Und die Beschäftigten fallen aus dem für sie geltenden Tarifvertrag der Bundesagentur für Arbeit heraus. Bis mit den ZAG jeweils eigene Tarifverträge ausgehandelt sind, soll der schlechtere Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst gelten. Obermann geht zudem davon aus, dass die berufliche Weiterentwicklung der Beschäftigten durch die Aufteilung in selbstständige Einheiten erschwert wird.

Der Betreuungsschlüssel wurde durch eine Neudefinition des Bundesarbeitsministeriums verschärft. Allerdings werden bei der Berechnung Gruppen von Erwerbslosen außen vor gelassen. Außerdem zählen nicht nur die Fall-manager dazu, auch Beschäftigte im Empfangsbereich und Führungspersonal werden eingerechnet. Das führt dazu, dass die Vermittler für deutlich mehr Erwerbslose zuständig sein werden, als der Schlüssel angibt.

"Am Elend von Hartz IV ändert sich durch die Reform nichts", kritisiert Bernhard Jirku, beim ver.di-Bundesvorstand für die Erwerbslosen zuständig. "Im Gegenteil: die Abtrennung führt zu einer Alg-II-Sonderkaste." Statt eine frühzeitige Unterstützung durch Verbindungen und Schnittmengen beim Alg I und Alg II herzustellen, würden die Brücken durch die Reform gekappt. "Die Leute möchten wieder aus dem Alg II rauskommen. Für sie ist die Absonderung schlimm", sagt Jirku. Zu befürchten sei mehr "Landrecht".

ver.di fordert weiter eine Betreuung von Erwerbslosen aus einer Hand. "Es muss sichergestellt werden, dass Erwerbslose in vergleichbarer Lebenslage gleich behandelt werden und gleiche Förderchancen erhalten, egal von welchem Organisations- oder Finanzierungssystem sie betreut werden", schreibt der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske in einem Brief an Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD).