Zafer Akbult, Charlotte Johnson, Emma Tuwa-Nana, Susi Soltys, Margarethe Zolanwar, Elke Efstratiou, Gertrude Lebrunner-Kunze, Uwe Reagan, Seyit Bahadir, Petra Fichtner und Aziz Güzel (von links)

Die Frage, warum ihr das Engagement bei ver.di so wichtig ist, überrascht Charlotte Johnson. Selbstverständlich sei das, sagt sie. "Ich bin einfach überzeugt davon, dass jeder seinen Teil dazu beitragen sollte, damit die Welt sich ändert."

Was sich ändern muss, hat die Tochter einer Deutschen und eines Afroamerikaners ab und zu auch selbst erlebt: "Es gibt in diesem Land immer noch einen alltäglichen Rassismus. Den spüren vor allem diejenigen, die ein bisschen anders aussehen." Das Problem gehe aber weit über die Art und Weise hinaus, wie ihnen begegnet werde: "Wir haben auf allen Ebenen eine Ungleichbehandlung. Warum darf ich zum Beispiel nicht wählen, nicht mit darüber bestimmen, was in meiner Stadt passiert?" Wichtig ist ihr, dass die Gewerkschaften mit der betrieblichen Mitbestimmung gute Erfahrungen gemacht haben - und zwar unabhängig davon, welchen Pass jemand hat. Wie ihr geht es vielen. Auch deshalb hat sich in Nürnberg im Juni 2011 der ver.di-Bezirksmigrationsausschuss Mittelfranken gegründet - als Teil einer gewerkschaftlichen Migrationspolitik, deren Ziel die soziale, gesellschaftliche und betriebliche Gleichstellung von Migrant/innen ist.

Sittenwidrige Verträge - ver.di kann helfen

"Wir waren einer der ersten Bezirksmigrationsausschüsse bei ver.di", erinnert sich Charlotte Johnson, "und der allererste in Bayern." Inzwischen gehören 18 Frauen und Männer dazu. "Am Anfang hatten wir schon einen schweren Stand. Viele haben uns erst nicht ernstgenommen und uns belächelt." Eine Erfahrung, die auch Petra Fichtner machen musste. Sie ist als ver.di-Sekretärin im Bezirk Mittelfranken für den Migrationsausschuss zuständig und "davon überzeugt, dass die Anliegen von Migrant/innen ein Thema für die Gewerkschaft sind, auch wenn die Auswirkungen vielleicht nicht sofort so sichtbar werden wie auf anderen Feldern unserer Arbeit". In Tarifauseinandersetzungen, bei Aktionen und Streiks im Betrieb für mehr Geld oder bei Aktionen für den gesetzlichen Mindestlohn finde man leicht Leute, die mitmachen. "Wenn es um Migrationspolitik geht, ist der Weg länger." Dabei könne man hier viel für die Beschäftigten erreichen: Vor allem Migrant/innen stecken häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen. "Viele kennen ihre Rechte nicht oder unterschreiben wegen sprachlicher Probleme Verträge, die teilweise sittenwidrig sind. Im Pflegebereich haben wir es immer wieder mit sexuellen Übergriffen zu tun, oder der Lohn wird nicht ausgezahlt." Die Betroffenen wüssten oft gar nicht, dass es ver.di gibt und in solchen Fällen helfen könnte. "Das wollen wir ändern." Petra Fichtner ist froh, dass sie dabei Ehrenamtliche mit einer schier unermüdlichen Beharrlichkeit an ihrer Seite hat, Menschen wie Charlotte Johnson, deren Stellvertreter Seyit Bahadir, der vor 24 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, und die Mitstreiter/innen im Ausschuss.

Charlotte Johnson findet es selbstverständlich, dass sie neben ihrer Arbeit - von der sie mit fröhlicher Untertreibung sagt, sie sei "Verwaltungstante in der Bundesagentur für Arbeit" - einen großen Teil ihrer Zeit dafür aufbringt, sich im Bezirksfrauenrat, der Bildungskommission und anderen Gremien zu engagieren. Der Migrationsausschuss sei jedoch etwas Besonderes; der liege ihr noch mehr am Herzen. Seit zwei Jahren bemüht sie sich gemeinsam mit Seyit Bahadir und den anderen im Migrationsausschuss, in ihrer Region bekannter zu werden, mit eigenen Veranstaltungen, durch Vernetzung mit anderen Vereinen, Organisationen und öffentlichen Stellen, mit Flyern und Ständen bei Veranstaltungen wie dem jährlichen Nürnberger Südstadtfest im Juli. Unermüdlich knüpft sie Kontakte zu allen, die sich um die Belange von Migrant/innen kümmern.

Migration ist kein Schreckgespenst

Zurzeit bereitet der Ausschuss ein großes Projekt vor: Für den 18. Juli plant er eine Podiumsdiskussion "Wahlrecht für alle", mit Politiker/innen aus dem Bundestag, dem Landtag und dem Stadtrat. "Es war nicht einfach, sie alle dafür zu gewinnen, aber für uns ganz wichtig. Wir erhoffen uns von der Diskussion viel Aufmerksamkeit und mehr Sensibilität für unser Anliegen."

Immer wieder versucht das Team, andere darüber zu informieren, was Rassismus im Alltag ist und wie man Zivilcourage zeigen kann. Und sie erklären ihre Ziele: eine erleichterte Einbürgerung, Chancengleichheit in der Bildung und beruflichen Qualifikation, das aktive und passive Wahlrecht auch für Menschen, die nicht aus EU-Staaten kommen, das Verbot aller rassistischen Organisationen. Die Botschaft ist einfach: "Migration ist kein Schreckgespenst", sagt Charlotte Johnson, "sie macht unser Land bunter und reicher."

Erklären, überzeugen, argumentieren, aufmerksam machen: Das sind die Instrumente des Bezirksmigrationsausschusses. Man braucht viel Geduld; nicht jedes Problem lässt sich damit schnell lösen. Für die Überforderung vieler fränkischer Lehrerinnen, in deren Klassen auf einmal zahlreiche griechische Schüler ohne Deutschkenntnisse sitzen, lasse sich nicht so einfach Abhilfe schaffen, weiß Petra Fichtner. "Aber wir können ihre Probleme aufgreifen und die Bürgermeister und die zuständigen staatlichen Stellen darauf aufmerksam machen." Das gleiche gelte für die Kinderbetreuung von Sprachkursteilnehmerinnen. Auch dafür setzt ver.di sich ein. Deutlich schwieriger sei der Zugang zu jenen, die ohne Papiere in Deutschland sind. "Aber auch für sie gelten die grundlegenden Arbeitsrechte: Unfallschutz, angemessener Lohn, bezahlter Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall."

Bis zur Gleichbehandlung ist es noch ein weiter Weg, das wissen die beiden ver.di-Frauen. Aber Charlotte Johnson ist davon überzeugt, dass Rassismus überwindbar ist. "Rassismus beginnt im Kopf und ist nicht naturgegeben; dagegen können wir angehen." Durch einen respektvollen, gleichberechtigten Umgang der Menschen miteinander könnten die Vorurteile in der Gesellschaft verschwinden. "Und die Vielfalt derer, die bei uns leben, bietet uns allen die Chance, voneinander zu lernen. Ich sage immer: Alle Menschen lächeln und weinen in der gleichen Sprache."

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