Wenn es Presseberichte aus Luxemburg gibt, geht es meist ums Bankgeheimnis. Dabei gibt es noch mehr Berichtenswertes aus dem Großherzogtum. Seit Monaten diskutiert das Land über ein von den Sozialisten vorgeschlagenes generelles Wahlrecht für ausländische Mitbürger/innen, nicht nur bei Kommunalwahlen. In einem Kommentar im Luxemburger Wort wird auf das grundlegende Problem verwiesen: Der Graben zwischen dem politischen Luxemburg und dem demografisch-gesellschaftlichen Luxemburg werde stetig größer und drohe unüberwindbar zu werden. "Beispiel Landeswahlen 2009: Mit knapp 38 Prozent der Stimmen wurde die CSV (Christlich-Soziale Volkspartei) als stärkste politische Kraft bestätigt. Es waren jedoch nicht etwa knapp 38 Prozent von rund 500.000 Einwohnern, sondern knapp 38 Prozent von nur 223.336 Wahlberechtigten."

Diese Diskrepanz gibt es europaweit. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1990 das schleswig-holsteinische Gesetz zum kommunalen Wahlrecht von nicht-deutschen Mitbürger/innen zwar kassiert, gleichzeitig aber das Auseinanderklaffen von Wohnbevölkerung und Wahlbevölkerung als problematisch angesehen. Eine Änderung des Wahlrechts hat das Gericht von einer Grundgesetzänderung abhängig gemacht. Geändert wurde das Grundgesetz jedoch bisher nur in Bezug auf EU-Bürger/innen, um den Maastrichter Vertrag von 1992 umzusetzen.

Um allen Bürger/innen die politische Teilhabe in dem Land zu ermöglichen, in dem sie leben, wurde in anderen europäischen Ländern das Wahlrecht von der Staatsangehörigkeit entkoppelt. Als erstes Land hat Schweden 1975 das Kommunalwahlrecht für ausländische Mitbürger/innen eingeführt, wenn sie drei Jahre im Land leben. 1981 folgten Dänemark und 1991 Finnland, wobei Staatsangehörige aus den anderen nordischen Staaten dort schon seit Mitte der 1970er Jahre wählen und gewählt werden konnten. Später folgten Luxemburg, Belgien und für besondere Gruppen auch Spanien, Portugal, Großbritannien und Irland.

Das Beispiel Niederlande

Prominentes Beispiel für das kommunale Wahlrecht sind die Niederlande. Dort erhielten schon 1985 alle Ausländer/innen, die fünf Jahre im Land leben, das aktive und passive Wahlrecht. Das war bewusst als Maßnahme zur Partizipation angelegt. Unter dem Motto "Gemeinsam leben - gemeinsam wählen" wurde in mehr als zehn Sprachen auf Plakaten, Flyern und in den Medien dafür geworben, sich an Wahlen zu beteiligen. Die Wahlbeteiligung lag dann bei 46 Prozent, 36 Ratssitze fielen an Ausländer. Die Wahlbeteiligung ist danach gesunken und liegt seitdem immer etwas unter der der Mehrheitsgesellschaft. Bei den Kommunalwahlen 2006 zogen in den Niederlanden 302 Frauen und Männer mit "ethnischem Hintergrund" in die Kommunalparlamente ein, drei Prozent dieser Bevölkerungsgruppe. Eine tatsächliche Repräsentanz müsste dreimal so hoch sein, im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist die Zahl allerdings hoch. So ist das kommunale Wahlrecht im Land durchaus als Erfolg zu sehen. Allerdings darf man es nicht isoliert betrachten. Die Verschärfung von Zuwanderungs- und Integrationsgesetzen in den Niederlanden seit 1998 und das Erstarken rechtspopulistischer Strömungen zeigen, wie kompliziert die Situation dort ist.

Bernd Mansel