Sie erhielten nicht nur den erstmals verliehenen Publikumspreis; mit Standing Ovations wurden die Betriebsräte der Kinokette CineStar auf dem Betriebsrätetag 2013 in Bonn gefeiert

Der erfolgreiche CineStar-Betriebsrat: Sven Langensiepen, Carina Engel, Christian Hein, Christian Euler (von links)

Das Projekt der Betriebsräte der CineStar Kinos in Bamberg und Mainz trat mit einem sperrigen Titel an: "Aufbau von Betriebsratsstrukturen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen". Wie die Situation der Beschäftigten vor der Gründung eines Betriebsrats bei der Kinokette konkret war, berichtet Sven Langensiepen vom Betriebsrat bei CineStar in Mainz: Es gab weder schriftliche Arbeitsverträge, noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, auch keine Nachtarbeitszulage, aber Arbeitszeiten auch über 10,75 Stunden pro Tag. Pausen waren nur möglich, wenn es gerade in den Ablauf passte, es gab weder bezahlten Urlaub noch Urlaubsgeld. Als "atypisch" wird die Beschäftigungssituation bei den Kinos bezeichnet, weil dort vor allem Aushilfen und Studierende arbeiten. Sie ließen sich die Arbeitsbedingungen und die schlechte Bezahlung von etwa 6,50 Euro pro Stunde (für verantwortungsvollere Aufgaben 7,50) gefallen.

Eine "eigentlich banale Kleinigkeit", wie Sven Langensiepen es nennt, war dann aber der Auslöser für die Gründung eines Betriebsrats. "Nachdem es zu einer gewaltigen Arbeitsverdichtung kam, weil trotz guter Besucherzahlen Arbeitsstunden gestrichen wurden, hatte der damalige Theaterleiter die Idee, unsere Freibesuche im Kino erst einzuschränken und dann zeitweise ganz zu verbieten." Miese Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung hatten die Studierenden noch hingenommen, doch als ihnen die Freikarten gestrichen wurden, war das Maß voll.

Heimliches Treffen

"So kam es zum ersten Telefonat, später zum ersten heimlichen Treffen mit ver.di in einer Kneipe in Mainz", sagt Langensiepen. Heimlich, weil sie erfahren hatten, dass man in anderen CineStar-Betrieben Beschäftigte entlassen hatte, die einen Betriebsrat gründen wollten. Doch trotz der Angst, ihre Arbeitsplätze zu verlieren, wagten sie die Betriebsratswahl, unterstützt von ver.di, ließen sich nicht vom Arbeitgeber einschüchtern. Denn der handelte umgehend, als er von den Plänen erfuhr: Zwei Herren der Geschäftsleitung reisten aus Lübeck nach Mainz, um die Beschäftigten von ihrem Vorhaben abzubringen. Ohne Erfolg; der Betriebsrat wurde gegründet.

Ähnlich war die Situation im CineStar Bamberg. Schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Bezahlung wurden den Beschäftigten dort früher mit Kleinigkeiten versüßt: Neben Freikarten für das eigene Kino gab es Gratis-Popcorn, Mitarbeitervorstellungen außerhalb des regulären Betriebs, Sommerfest und Weihnachtsfeier. Doch als nach den erfolgreichen Jahren mit Kassenschlagern wie Herr der Ringe die Umsätze einbrachen, wurde nicht nur das Personal ausgedünnt, auch die Zusatzleistungen wurden gestrichen. Sie waren nicht Teil eines Tarifvertrags, es gab darauf keinen Rechtsanspruch. Mehr arbeiten für wenig Geld, das wollten die Beschäftigten in Bamberg nicht. Auch dort sind es vor allem Studierende und Minijobber - und auch dort wurde mit Hilfe von ver.di ein Betriebsrat gegründet.

Jetzt geht es weiter

Ermutigt durch die Betriebsratswahl, wollten ver.di-Aktive in den Kinos nun auch ihre Einkommen verbessern. Sie warben ver.di-Mitglieder, wählten eine Tarifkommission und stellten Forderungen auf. Daraus entwickelte sich die große Tarifauseinandersetzung in den Kinos im Jahr 2012. Nach zum Teil mehr als 100 Streiktagen in einzelnen Kinos vereinbarte ver.di Ende 2012 einen Tarifabschluss für alle 52 Betriebe der größten deutschen Kinokette. Innerhalb von drei Jahren steigen die Löhne, je nach bisherigem Entgelt, zwischen acht und 33 Prozent. Auch Urlaubsansprüche und Weihnachtsgeld wurden geregelt. Und die jetzt in Bonn ausgezeichneten Betriebsräte planen schon die Zukunft: Da die Studierenden nach ihrem Abschluss in der Regel die Kinos verlassen, werden für die Betriebsratswahlen 2014 schon jetzt Kandidat/innen gesucht.

Die Ausgezeichneten

Auf dem 10. Deutschen BetriebsräteTag in Bonn wurden 14 Praxisberichte vorgestellt. Sieben davon erhielten den Deutschen Betriebsräte-Preis, der von der Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb (Bund-Verlag) in Kooperation mit dem Deutschen BetriebsräteTag, dem DGB, den Gewerkschaften IG BAU, IG BCE, IG Metall, NGG und ver.di verliehen wird. In diesem Jahr wählten die Teilnehmer/innen auch zum ersten Mal den Gewinner des Publikumspreises.

Mit dem Preis in Silber wurde der Gesamtbetriebsrat der Finanz Informatik GmbH & Co. KG aus Frankfurt am Main (Unternehmen der Sparkassen-Gruppe) ausgezeichnet. Die Betriebsräte hatten einen Tarifvertrag/Tarifsozialplan durchgesetzt, der die Schließung von sieben Standorten für die Beschäftigten abmildert. Der Betriebsrat der Rheinbahn AG Düsseldorf erhielt für sein Projekt "Belastungsorientierte Dienstplanung" den Sonderpreis in der Kategorie Gute Arbeit.

www.deutscher-betriebsraete-preis.de