Einen bewegten Herbst bescheren Einzelhandelsbeschäftigte in diesem Jahr den Arbeitgebern. Grund ist die anhaltende Weigerung von Unternehmen und Verbänden, in dem seit mehr als einem halben Jahr dauernden Tarifkonflikt überhaupt verhandelbare Angebote vorzulegen. Anfang November gab es immer noch keine Anzeichen für eine Annäherung zwischen ver.di und den Arbeitgebern.

"Die Arbeitsniederlegung von über 1000 Hamburger Beschäftigten in den zurückliegenden Tagen zeigt etwas Wirkung bei den Arbeitgebern", sagte Arno Peukes, ver.di-Verhandlungsführer in Hamburg, nach der fünften Verhandlungsrunde Ende Oktober. Am 25. November soll in der Hansestadt weiterverhandelt werden; beide Seiten sind nach eigenem Bekunden daran interessiert, vor Weihnachten zu einem Tarifabschluss zu kommen. Zu einer inhaltlichen Annäherung kam es aber bisher nicht. Ebenso wenig wie in Bayern, wo ver.di am letzten Oktobertag ebenfalls zum fünften Mal in der diesjährigen Tarifrunde verhandelt hat.

Offen ist auch, ob es in Baden-Württemberg zu einem Abschluss kommen wird; dort steht am 12. November (nach Redaktionssschluss) die sechste Verhandlungsrunde an.

"Wir haben in den letzten Wochen bundesweit so viele Kolleginnen und Kollegen zu Streiks mobilisieren können wie lange nicht mehr", sagt Rüdiger Wolff, Tarifexperte in der ver.di-Bundesfachgruppe Einzelhandel. So beteiligten sich Ende Oktober mehr als 5000 Kaufland-Beschäftigte in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und sieben weiteren Bundesländern an Streiks. Vor der Kaufland-Zentrale in Neckarsulm trafen sich mehr als 2500 Menschen zur zentralen Streikkundgebung. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sagte dort: "Es geht darum, dass der Tarifvertrag jetzt endlich zum Abschluss kommt!" Kaufland ist Marktführer im SB-Warenhaussektor und spielt in der Tarifrunde eine wichtige Rolle.

Gegen die Zumutungen auf die Straße gegangen

Die Arbeitgeber haben Anfang des Jahres die Manteltarifverträge gekündigt und in der Entgelt-Verhandlungsrunde versucht, dauerhaft Verschlechterungen durchzusetzen, etwa bei den Arbeitszeiten und den Eingruppierungen. Sie würden Kassierer/innen gern schlechter bezahlen, Niedriglohngruppen bei Warenauffüllern einführen und die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei den Arbeitszeiten stark einschränken. Auch die Arbeitszeitbedingungen und die Zuschlagsregelungen sollen verschlechtert werden.

Diese und andere Zumutungen haben die Beschäftigten in den letzten Wochen auf die Straßen getrieben - für spürbare Lohnerhöhungen und dafür, dass die Manteltarifverträge unverändert wieder in Kraft gesetzt werden. Besonders aktiv waren dabei auch die Kolleg/innen der Real-SB-Warenhäuser. Bis Mitte Oktober zählte ver.di dort schon weit über tausend Streiks.

Und es gab in dieser Tarifauseinandersetzung schon viel Unterstützung. So streikten Ende Oktober in Leipzig erstmals Einzelhandelsbeschäftigte von Kaufland, Real, Aldi und Netto gemeinsam mit Versandhandelskolleg/innen von Amazon. In Freiburg fand ein landesweiter Streiktag von H&M-Mitarbeiter/innen statt, der von einer Abordnung der schweizerischen Gewerkschaft UNiA unterstützt wurde. Die Gäste wandten sich gegen grenzübergreifende Streikbrechereinsätze bei H&M. Überdies haben auch viele Beschäftigte von Karstadt und OBI gestreikt, deren Unternehmen nicht mehr tarifgebunden sind.