Das Jahr 2013 ist zwar noch nicht ganz zu Ende, doch in der Geschichte des deutschen Zeitungsmarktes hat es längst seinen festen Platz: Nach langen Jahren des Lamentierens und Wartens machen Deutschlands Zeitungsverlage Ernst mit der Konsolidierung der Branche - nach ihren Bedingungen. Und es sind nicht die kleinen Verlage, die nach der Logik von Springer-Chef Mathias Döpfner in größeren Einheiten aufgehen müssen, um zu überleben. Die Motoren der neuen Entwicklung gehören allesamt zu den Top Five der Bundesrepublik: Es sind die Axel Springer AG, der seit Mitte des Jahres in Funke-Gruppe umbenannte Zeitungskonzern WAZ, die Verlagsgruppe Madsack und das Kölner Medienhaus DuMont-Schauberg.

Und plötzlich steht die Welt Kopf in den Redaktionen

Seit dem Sommer geht es Schlag auf Schlag: Mitten in der schönsten Ferienzeit steht für die Beschäftigten von Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost die Welt plötzlich Kopf. Springer verkauft seine letzten beiden Regionalblätter zusammen mit einem Schwung Zeitschriften an die Funke-Gruppe. Ausgerechnet der Konzern, der immer die Tradition bemühte, trennt sich von seinen "Urtiteln" - das Abendblatt war die erste von Axel C. Springer persönlich gegründete Zeitung, die Morgenpost das Stammblatt der in den 1960er Jahren von Springer übernommenen Ullstein-Gruppe. Nun bleiben bei Springer nur noch die Bild-Zeitung und die überregionale Welt - beim neuen Kurs zum digitalen Inhalte-Haus ist für regionalen Journalismus kein Platz mehr. Weder gedruckt noch anderswo.

Bei der neu benamten Funke-Gruppe glaubt man dagegen demonstrativ an beides: an Regional- beziehungsweise Lokaljournalismus und an Print. Und müht sich um den - dieses Wort fehlt in kaum einer der jüngeren Pressemitteilungen des Essener Konzerns - Erhalt der Pressevielfalt. Weshalb es die Westfälische Rundschau, deren komplette Redaktion schon im Februar nach Hause geschickt worden war, als Titel-Hülse noch immer gibt.

Wie Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost eigentlich gewinnbringend - denn darum geht es natürlich auch - in ein Zeitungshaus eingebracht werden können, das seine bisherigen Schwerpunkte im Ruhrgebiet, in Thüringen und ein bisschen in Braunschweig (Braunschweiger Zeitung) hat, ist dabei völlig offen. Das Kartellamt muss den Deal ohnehin noch freigeben und hat Mitte Oktober angekündigt, mit seiner Prüfung dieses Jahr nicht mehr fertig zu werden. Um den Zeitgewinn scheinen beide Häuser - Funke wie Springer - nicht eben traurig zu sein. Denn auch Springer muss die noch bis Sommer mit Macht vorangetriebene redaktionelle Verschmelzung von Welt und Berliner Morgenpost stoppen und rückabwickeln.

Funke sortiert sein Reich derweil an Rhein und Ruhr neu: Schließlich müssen die 900 Millionen Euro, mit denen der Konzern den Kauf der Springer-Titel finanziert, ja irgendwo verdient werden. Deshalb erschien das Funke-Hauptblatt, die Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), im westfälischen Dorsten und in Castrop-Rauxel am 31. Oktober zum letzten Mal, Ende Dezember machen dann auch die Lokalausgaben Lüdenscheid/Halver und Altena/Werdohl/Plettenberg der Westfälischen Rundschau (WR) im Sauerland dicht. In Castrop-Rauxel wird es allerdings weiter eine WAZ-Ausgabe geben - deren Lokalteil allerdings die Konkurrenzzeitung Ruhr Nachrichten liefert.

Im Schulterschluss mit der Konkurrenz

Das ist auch schon im benachbarten Dortmund so, und hier ging Funke einen Tag vor dem Ende des eigenen WAZ-Lokalteils in Castrop-Rauxel noch einen Schritt weiter. Per Pressemitteilung teilte der Konzern mit, man werde die Zusammenarbeit mit dem Verlag der Ruhr-Nachrichten, dem Medienhaus Lensing, noch ausweiten. Im Klartext soll Lensing die Dortmunder WAZ übernehmen. Auch hier ist der Deal von einer Zustimmung des Kartellamts abhängig.

Genau wie Springer hat die Funke-Gruppe klar gemacht, dass alle früheren Beteuerungen und traditionellen Gewissheiten in der digitalen Welt Schall und Rauch sind: Spätestens mit dem Verkauf an den Erzkonkurrenten, mit dem man bis vor kurzem noch erbittert um jeden Abonnenten rang, geht die alte Vorstellung von Zeitungsmarkt und publizistischem Wettbewerb zu Ende. In die Röhre gucken die um Wahlmöglichkeiten gebrachten Leser/innen - denn es schwindet die Pressevielfalt (siehe Interview).

Madsack und DuMont-Schauberg sind da noch nicht ganz so weit. Doch auch bei diesen Häusern wird kräftig umgebaut. Madsack-Chef Thomas Düffert sieht sich ganz selbstbewusst in der Rolle eines "aktiven Konsolidierers" und hat Anfang Oktober angekündigt, dass alle 18 Regionaltitel der Firma (u.a. Hannoversche Allgemeine, Neue Presse, Leipziger Volkszeitung, Ostsee-Zeitung, Lübecker Nachrichten, Märkische Allgemeine) in Zukunft ihre internationale und überregionale Berichterstattung von einer Zentralredaktion mit Sitz in Hannover bekommen werden. Ob beziehungsweise wie viel Personal durch diesen Schritt abgebaut werden soll, ist noch offen.

Trotz Millionenspritzen nicht wieder flott zu machen

Die neue Zentralredaktion soll umgehend in den nächsten Monaten aufgebaut werden. Bei der Verkündung der Pläne im Rahmen der Initiative "Madsack 2018" hieß es, komplett gleiche Mantelteile seien nicht geplant, die Redakteurinnen und Redakteure der einzelnen Titel könnten sich aber demnächst deutlich intensiver ums Lokale beziehungsweise Regionale kümmern. Das hatte auch die WAZ mit ihrem 2009 eingeführten gemeinsamen Content-Desk für ihre NRW-Titel (WAZ, Neue Ruhr/Rhein-Zeitung, Westfalenpost, WR) angekündigt. Es kam bekanntlich anders.

Bei DuMont verdaut man immer noch das Engagement bei der Frankfurter Rundschau (FR). Deren traurigen Rest hatten die Kölner (Kölner Stadtanzeiger, Express, Kölnische Rundschau, Mitteldeutsche Zeitung, Berliner Verlag) an die Verlagsgruppe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung weitergereicht, nachdem das linksliberale Traditionsblatt über Jahre trotz Millionenspritzen nicht wieder flott zu machen war. Den Löwenanteil der Zeche zahlt derzeit die Berliner Zeitung, die über die DuMont-Redaktionsgemeinschaft eng mit der FR verflochten war. Rund 40 Stellen fallen in Berlin weg, noch sind diverse Kündigungsschutzklagen anhängig.

Am Stammsitz Köln sollen die Redaktionen vergleichsweise glimpflich davonkommen. Nach Presseberichten müssen sie "nur" rund eine Million Euro im Etat streichen. Dafür trifft es hier den Verlagsbereich, in dem Ende 2014 zehn Prozent des Personals abgebaut werden soll - das macht nach Gewerkschaftsangaben noch einmal mindestens 250 Arbeitsplätze.