Boumedien Habibes

Seit April 2012 sollen Menschen aus anderen Ländern leichter ihre daheim erworbene Berufsqualifikation in Deutschland nachweisen und anerkennen lassen können. Eigentlich. Denn damals trat das Anerkennungsgesetz des Bundes in Kraft, das "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen". Zwischen August 2012 und Ende 2013 kamen 18 897 Menschen in die zuständigen Anlaufstellen von "Integration durch Qualifikation" (IQ), um sich über den Weg zur Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Abschlüsse beraten zu lassen. Wie viele Anträge auf Anerkennung dann auch gestellt und bewilligt wurden, ist nicht genau bekannt. Lediglich für 2012 liegt eine Auswertung vor, die im April von Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, sowie Hartmut Möllring, Minister für Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt (beide CDU), präsentiert wurde. Danach haben 2012 knapp 11 000 Menschen die Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikationen beantragt.

Dass viele Ausländer in der Praxis immer noch einen dornenreichen Weg vor sich haben, bevor sie ihren Beruf in Deutschland ausüben dürfen, zeigen die Erfahrungen der Beratungsstellen. Über seine Arbeit berichtet Boumedien Habibes von der Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten beim Verein Arbeit und Leben in Berlin

ver.di publik - Aus welchen Ländern und welchen Berufen kommen die Ratsuchenden zu Ihnen?

Boumedien Habibes - Sehr viele kommen zurzeit aus Spanien und Griechenland, aber auch aus arabischen und afrikanischen Ländern. Viele haben einen Pflegeberuf erlernt, aber wir haben ebenso Jurist/innen, Lehrer/innen, Erzieher/innen in der Beratung. Und junge Leute, die nach der Anerkennung ihres Schulabschlusses hier studieren wollen.

ver.di publik - Wie helfen Sie?

Habibes - Zum Beispiel so: Vor kurzem war eine Ivorerin bei uns, eine Juristin, um sich zu erkundigen, wie sie als Rechtsanwältin zugelassen werden könne. Ich habe ihr den langwierigen Weg zur Anerkennung ihrer Ausbildung aufgezeigt und Tipps gegeben, wie sie die Zwischenzeit überbrücken kann; etwa indem sie sich juristische Fachbegriffe auf Deutsch aneignet und an einer Fortbildung für deutsche Juristen teilnimmt. Dadurch hat sie die Chance, für die Übergangszeit einen Job zu finden, etwa als juristische Beraterin in einem Unternehmen. Wir beraten aber auch bei Fragen zum Arbeitsverhältnis, zu Kündigung oder Lohnforderungen, zum Arbeitslosengeld, zum Aufenthalt in Deutschland, zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft oder zur Rente.

ver.di publik - In welchen Sprachen wird beraten?

Habibes - Viele, die zu uns kommen, sind neu in Deutschland, entsprechend benötigen sie Beratung in ihrer Muttersprache beziehungsweise auf Englisch. Wir sprechen im Team zehn verschiedene Sprachen, sodass sie die Informationen in für sie verständlicher Weise erhalten. Wir klären, welche Anforderungen für den jeweiligen Beruf in Deutschland gestellt werden, und füllen den Antrag mit den Betroffenen gemeinsam aus. Wir arbeiten auch mit der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) und mit Senatsverwaltungen zusammen. Allerdings sind die vielen verschiedenen Zuständigkeiten für die Berufe ein großes Problem.

Mamesen Aba, 37, vertraut den Fachleuten in der Beratungsstelle bei Arbeit und Leben e.V.

ver.di publik - Warum sind denn verschiedene Behörden zuständig?

Habibes - Das hängt mit der föderalen Struktur in der Bundesrepublik zusammen. Längst nicht alle relevanten Berufe fallen unter das Bundesgesetz, und dort, wo die Bundesländer zuständig sind, gibt es große Unterschiede. Ein Beispiel: In Berlin müssen Pflegekräfte ein bestimmtes Niveau ihrer Deutschkenntnisse nachweisen, das Level B, in Baden-Württemberg ist dieser Nachweis nicht nötig. Für Handwerksberufe sind die Kammern zuständig - und überall sind Besonderheiten zu beachten. Erzieherinnen müssen in Deutschland sozialrechtliche Kenntnisse nachweisen, die in den meisten Herkunftsländern nicht zur Ausbildung gehören.

ver.di publik - Schreckt so ein Verfahren zur Berufsanerkennung nicht ab?

Habibes - Ja, das Verfahren sicher auch und ebenso die hohen Kosten, die damit verbunden sind. Alle Diplome und sonstige Qualifikationsnachweise müssen von einem vereidigten Dolmetscher übersetzt werden, Gebühren fallen an. Bis zur Anerkennung ihres Abschlusses müssen die Antragsteller zwischen 500 und 800 Euro aufbringen. Da die meisten von ihnen keine ALG II-Leistungen beziehen, können viele sich das einfach nicht leisten. Allein für die Anerkennung eines dem Abitur gleichwertigen Schulabschlusses verlangt die Senatsbildungsverwaltung 80 Euro. Die ZAB erhebt dafür allerdings keine Gebühr. Auch in solchen Fragen sind Anlaufstellen wie unsere also sehr wichtig, damit die Antragsteller nicht unnötig Geld ausgeben. Selbstverständlich verstehen wir unsere Aufgabe auch so, den Ratsuchenden zu erklären, wie sie - trotz Zeit- und Kostenaufwandes - zur Berufsanerkennung kommen und wie sie die Wartezeit möglichst mit passenden Jobs oder Weiterbildungen überbrücken können.

ver.di publik - Melden sich die Menschen, denen Sie zur Berufsanerkennung verholfen haben, später noch einmal?

Habibes - Das ist eher die Ausnahme. Wer nach der Antragstellung noch weiter Probleme mit der Anerkennung hat, kommt wieder zu uns. Wer es geschafft hat, kümmert sich vermutlich darum, Arbeit im erlernten Beruf zu finden - und das ist ja auch sehr verständlich.


Im Dschungel unterwegs - Anerkennung von Berufsabschlüssen

Service im Netz

Eine Übersicht zu den Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen gibt es auf www.anerkennung-in-deutschland.de

Dort finden sich auch Links zu Beratungsstellen in den Bundesländern - Förderprogramm "Integration durch Qualifizierung" (IQ).

Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB): www.kmk.org/zab/unsere-aufgaben (Inkl. Link zur Datenbank "anabin" mit Informationen zur Bewertung aus-ländischer Bildungsnachweise)

Für internationale Studienbewerber:www.uni-assist.de

Ansprechpartner, Sprechzeiten und Telefonnummern der Beratungsstelle für Migrant/innen bei Arbeit und Leben e.V. auf der Website www.berlin.arbeitundleben.de/migrantenberatung.html