Die Kontrollen sind oft gefürchtet, dabei geht es um die faire Behandlung der Beschäftigten

Der Zollbeamte Günther H., der wegen seiner Arbeit hier nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, berichtet aus seinem Berufsalltag auch von Fällen, die klingen wie aus einem bösen Wirtschaftskrimi: Er spricht von Menschen, die in Containern illegal nach Deutschland kommen, dabei fast verhungern und verdursten, denen die Papiere weggenommen werden, die in Küchen auf dem Fußboden schlafen und zum Schluss noch um ihren ohnehin geringen Lohn betrogen werden. "Ich weiß", sagt er, "dass es für diese Menschen ganz schlimm ist, wenn wir sie kontrollieren und sie dann erkennungsdienstlich behandeln." Aber letztendlich sei es für sie besser, als so wie bisher weiterzuleben. "Die wenigsten von ihnen werden sofort abgeschoben." Sein Ziel - und das seiner Kolleginnen und Kollegen - seien die Schleuser und Firmeninhaber, die sich auf unverschämte Weise an Menschen bereichern, die sich meist nicht wehren können.

Schäbige 400 Euro brutto für Reinigungskräfte

Um Beschäftigte vor Dumpinglöhnen zu schützen, wurden für einige Branchen bereits Mindestlöhne durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz festgelegt, so für die Abfallwirtschaft, die Gebäudereinigung, die Pflege und die Sicherheitsdienste. Ob diese Mindestlöhne aber auch wirklich gezahlt werden, das muss kontrolliert werden; dafür ist der Zoll da, auch Günther H. und seine Kollegen. Es ist allerdings eine Riesenaufgabe, die für die Kontrolleure zurzeit überhaupt nicht zu schaffen ist. Denn schon bisher müssten rund 3,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz festgelegte Mindestlöhne bekommen. Und diese Zahl wird steigen, wenn der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro brutto pro Stunde schrittweise bis Ende 2016 eingeführt wird. Dann werden weit mehr Beschäftigte als jetzt Anspruch darauf haben, dann muss noch mehr kontrolliert werden, ob die Unternehmen korrekt bezahlen. Und für diese Kontrollen, ob die Beschäftigten mindestens den vorgeschriebenen Mindestlohn bekommen, ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll zuständig.

Wie notwendig diese Kontrollen sind, davon berichtet Günther H. auch. Erst vor wenigen Wochen flog bei einer Kontrolle, an der er beteiligt war, eine Firma auf, die Toiletten an einer Autobahnraststätte betreibt. Die Frauen, die dort arbeiten, leben in Leipzig. Für ihre Arbeit wurden sie durch die halbe Republik gefahren. Sie arbeiteten immer 14 Tage hintereinander von 6 bis 21 Uhr. Das Geld, das die Toilettenbesucher auf den Teller für die Reinigungskräfte legten, mussten die Beschäftigten komplett abgeben. Für ihre harte Arbeit bekamen sie rund 400 Euro brutto im Monat.

Die Schlussfolgerung aus der Sicht des Zollbeamten und ver.di-Mitglieds ist klar: "Es ist zwingend notwendig, dass auch endlich für das Hotel- und Gaststättengewerbe der Mindestlohn eingeführt wird." Doch er weiß auch, dass dort, wo bereits Mindestlöhne gelten, von den Arbeitgebern oft "getrickst wird". Da gibt es viele Möglichkeiten: Vorgeschriebene Zuschläge - etwa für Nacht- und Feiertagsarbeit - werden nicht gezahlt; es werden weit weniger Stunden abgerechnet, als die Beschäftigten tatsächlich geleistet haben.

Die Verantwortlichen gehen oft straffrei aus

Doch viel zu oft decken die Zollbeamten auch Fälle auf, die nachher nicht umfassend weiterbearbeitet werden. Das Ergebnis: Die Verantwortlichen erhalten nicht die angemessene Strafe. "Jemand muss das Bußgeldverfahren führen, damit diese Arbeitgeber nicht so weitermachen können wie bisher, bevor sie aufgeflogen sind", erklärt Günther H. Doch die Verfahren sind meist kompliziert und aufwendig, viel zu oft würden sie einfach eingestellt, auch aus Personalmangel.

Und die Personaldecke ist dünn: Für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit arbeiteten Ende 2013 rund 6500 Beschäftigte. Nach Auskunft der Bundesregierung waren 388 Stellen nicht besetzt. Die flächendeckende Kontrolle von allein 3,2 Millionen Beschäftigten, die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz bezahlt werden müssten, ist so nicht möglich. Wenn der gesetzliche Mindestlohn generell gilt, wird sich die Zahl der nötigen Kontrollen um ein Vielfaches erhöhen. ver.di fordert deshalb zusätzliche Stellen. "Bereits jetzt fehlen 1200 Beamt/innen", sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp schon im Januar. "Sollte künftig ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn überwacht werden müssen, steigt der Personal-bedarf um weitere 2000 Stellen an."

Auch Günther H. schätzt aus seiner täglichen Erfahrung den Bedarf wesentlich höher ein als die offizielle Angabe der Bundesregierung. Er meint, die Anzahl der Beschäftigten der FKS müsste eher vervierfacht werden. Neue Kollegen brauchten nach ihrer Ausbildung zudem noch eine Zeit, in der sie mit "alten Hasen" zusammenarbeiten, um Erfahrungen zu sammeln.

Ausgebildet werden die Beschäftigten beim Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung. Sie verlassen das Bildungszentrum jeweils zum 1. August und wechseln auf Stellen, die frei geworden sind. Als Berufsanfänger bringen sie nach Einschätzung von Günther H. eine Grundbildung mit. Für die Arbeit vor Ort würden jedoch auch Kenntnisse benötigt, die zumindest teilweise nur durch Erfahrung gewonnen werden können. Als Beispiel nannte er Tricksereien bei Buchhaltung und Lohnabrechnung. Wichtig seien auch vertiefte Kenntnisse im Strafrecht und in der Strafprozessordnung. Im Interesse der Beschäftigten.