Beteiligung unter 50 Prozent gesunken

Henrik Müller ist Redakteur der ver.di publik

Vielleicht sollten sich unsere Regierenden aller Couleur - frei nach Bertolt Brecht - ein anderes Volk wählen, eines, das dankbarer ist und engagierter mitmacht beim Zelebrieren der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. "Das neue Rekordtief bei der Beteiligung an der Landtagswahl hat in Sachsen Entsetzen und Kritik ausgelöst", meldete der "Mitteldeutsche Rundfunk" am Wahlabend. Nur 48,5 Prozent der Wahlberechtigten hatten diesmal ihre Stimmen abgegeben. Ausgerechnet die Sachsen, die doch vor einem Vierteljahrhundert enorme Hoffnungen mit der parlamentarischen Demokratie verbunden hatten.

Aber deren Akteure verstehen offensichtlich die tiefe Enttäuschung wegen der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre nicht, die sich in der massiven Abstinenz des halben Wahlvolkes äußert; ihr vorgebliches "Entsetzen" ist oberflächlich. Sachsens SPD-Vizechefin Eva-Maria Stange sprach zwar von einer "Katastrophe". Aber beim Nachdenken über die Ursachen fällt ihr, jedenfalls öffentlich, nichts anderes ein, als die regierende CDU dafür verantwortlich zu machen, weil die die Wahl auf den letzten Ferientag gelegt habe. Schon kabarettreif der Konter von Regierungschef Stanislaw Tillich: Auch die Opposition treffe Mitschuld, sie habe es nicht geschafft, mit Themen einen Wahlkampf zu entfachen.

Was er im Hinterkopf vom Wert demokratischer Parlamentswahlen hält, verriet der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Kauder: Den Erfolg der konkurrierenden "Alternative für Deutschland" müsse man nicht allzu ernst nehmen; bei einer Wahlbeteiligung von weniger als 50 Prozent ließen sich daraus kaum Schlüsse für die Zukunft ziehen. Zynismus pur, für den sich diejenigen bedanken werden, die ihr Wahlrecht wahrgenommen haben.

In den Fernsehrunden am Wahlabend jedenfalls herrschte nach den pflichtschuldigen Bekundungen zur geringen Wahlbeteiligung Business as usual - trotz der Tatsache, dass die Rechtspopulisten von der AfD und die rechtsextreme NDP gemeinsam mehr Stimmen auf sich gezogen haben als die SPD in ihren alten Stammlanden.