Ausgabe 06/2014
Eine kleine Revolution
Betriebsräte sind in der DRK-Schwesternschaft nicht vorgesehen. An der Uniklinik Essen ist trotzdem einer gewählt worden
Drei vom Betriebsrat: Andrea Elliott, Silvia Seidel und Frank Honrath
In Sachen Karriere hat Silvia Seidel sich jetzt wohl keinen Gefallen getan, das ist der Kinderkrankenschwester klar. "Es mag schon sein, dass das nicht gut ankommt", sagt sie ruhig und bestimmt, "aber wir leben nun einmal im 21. Jahrhundert, damit muss sich auch die Schwesternschaft abfinden."
Worüber Silvia Seidel hier spricht, das ist schon eine kleine Revolution: Sie hat sich in den Betriebsrat für Mitglieder der DRK-Schwesternschaft am Universitätsklinikum Essen wählen lassen. Und den sollte es eigentlich gar nicht geben.
Statt Arbeitsvertrag nur Vereinsmitgliedschaft
Denn Silvia Seidel ist keine angestellte Schwester an der Klinik, sondern DRK-Mitglied - und sie besitzt deshalb keinen Arbeitsvertrag, sondern eine Vereinsmitgliedschaft. Deshalb gilt für sie das Vereinsrecht und nicht das Arbeitsrecht.
Auch wenn das DRK in seinen Flyern mit diesem besonderen juristischen Konstrukt wirbt, das, wie es heißt, eine bessere Absicherung der DRK-Schwestern biete, so bedeutet das doch im Klartext: Übliche Arbeitnehmerrechte gelten für die DRK-Schwestern nicht, Streiken ist für sie tabu, Konflikte können nicht vor dem Arbeitsgericht, sondern nur innerhalb des Vereinsrechts geklärt werden. Und ein Betriebsrat? So eine Vertretung der DRK-Schwestern ist überhaupt nicht vorgesehen.
Handfeste Nachteile und klare Entrechtung
Für Petra Bäumler-Schlackmann, Personalratsmitglied am Uniklinikum und ehemalige Betriebsratsvorsitzende der nicht vereinsgebundenen DRK-Schwestern am Uniklinikum, sind das handfeste Nachteile, sowohl für die Schwestern selbst als auch für die Interessenvertretung.
"Das ist eine klare Entrechtung. Wenn es um Kündigungen, Versetzungen oder Vergütungen geht, sind diese Schwestern schutzlos." Es gebe zwar einen Beirat, der sei aber so eng mit der Klinikleitung verbunden, dass er bei Auseinandersetzungen nicht für die Schwestern kämpfe, berichtet Petra Bäumler-Schlackmann. Und fügt hinzu: "Wir haben das Problem, dass von fast 1800 Pflegenden an der Uniklinik rund 1400 nicht streikfähig sind, weil sie als Vereinsmitglieder gelten. Das nimmt uns als Personalvertretung natürlich viel Schlagkraft."
Deshalb läuft gerade eine juristische Auseinandersetzung mit der DRK-Schwesternschaft. Ziel ist es, dass das Bundesarbeitsgericht die Vereinsmitglieder unter den Pflegekräften zu normalen Arbeitnehmer/innen erklärt, mit den gleichen Rechten und Pflichten wie Angestellte. Bisher muss der Personalrat des Klinikums der Einstellung der DRK-Schwestern zwar zustimmen, kann aber danach, vor allem in Sachen ihrer Eingruppierung, dann nichts mehr für sie tun.
Mit der Wahl wurden Fakten geschaffen
Mit der Betriebsratswahl für die vereinsgebundenen Schwestern versucht man nun, vor dem Urteil Fakten zu schaffen. Die Schwesternschaft hat beantragt, die Wahl für nichtig erklären zu lassen. Man wartet jetzt auf eine Entscheidung des Gerichts. "Wir hatten eine Wahlbeteiligung von über 30 Prozent", sagt Petra Bäumler-Schlackmann, "das ist ein riesiger Erfolg, gerade in einer Personengruppe, die bislang überhaupt keine gesetzlichen Mitbestimmungsrechte hat - und zugleich ist das ein deutliches Signal an die Schwesternschaft."
Als Betriebsrat endlich mitreden
Seit 2012 gilt für die Pflegekräfte am Uniklinikum zwar die Wahlfreiheit. Damit können sie wählen, ob sie an der Klinik angestellt sein wollen oder über die Schwesternschaft gestellt werden. "Seither entscheiden sich über 90 Prozent für das Angestelltenverhältnis", sagt Petra Bäumler-Schlackmann.
Wie lange dieses Optionsmodell noch bestehen wird, weiß sie aber nicht: "Die Vereinbarung war zeitlich befristet und müsste jetzt erneuert werden."
Warum Silvia Seidel eigentlich damals, als sie vor gut 20 Jahren am Uniklinikum in Essen angefangen hat, ohne weitere Nachfragen Mitglied der DRK-Schwesternschaft wurde, weiß sie heute nicht mehr so genau.
Sie sagt jetzt, im Rückblick: "Mir war damals gar nicht so klar, was das für mich bedeutet, und dass ich gar keinen richtigen Arbeitsvertrag unterschrieben habe."
Sie ärgere sich, dass Bewerberinnen und Bewerber bis heute über die Alternativen nicht vernünftig informiert würden. Wie wenig ihre Vereinsmitgliedschaft in der Praxis tatsächlich wert sei, das habe sie gespürt, als sie gegen ihren Willen innerhalb der Klinik versetzt worden sei. "Da saß zwar jemand vom Beirat mit in den Gesprächen, der hat aber den Mund nicht aufgemacht." Das will sie als Betriebsrätin ändern.