Eine Ära geht weiter: Bereits zum vierten Mal in Folge konnte in Brasilien die Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) eine Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. In der Stichwahl am 26. Oktober entfielen auf Amtsinhaberin Dilma Rousseff 51,6 Prozent der Stimmen. Damit hat sie auch in der am 1. Januar 2015 beginnenden Legislaturperiode als Staats- und Regierungschefin im Palácio do Planalto in Brasília das Sagen.

Rousseff wurde im Wahlkampf von einer Koalition aus neun Parteien und den großen Gewerkschaftsverbänden unterstützt. In der entscheidenden Runde siegte sie über den Kandidaten der konservativen unternehmernahen PSDB (Partei der brasilianischen Sozialdemokratie), Aécio Neves, der von einem Mitte-Rechts-Bündnis getragen wurde und die Unterstützung der großen privaten Medien hatte. Der frühere Gouverneur des wichtigen Bundesstaates Minas Gerais kam auf 48,4 Prozent. Es war bereits das vierte Duell zwischen PT und PSDB um die Präsidentschaft in Folge. Die knappeste Entscheidung seit der Rückkehr des größten Landes Südamerikas zur Demokratie vor mehr als einem Vierteljahrhundert zeigt die starke Polarisierung der politischen Lager. Beide Kandidaten schnitten regional sehr verschieden ab. Am klarsten gewann Rousseff in den weniger entwickelten Bundesstaaten im Norden und Nordosten.

Gegen Korruption, für ein besseres Leben

"Ich weiß, dass ich wieder zur Präsidentin gewählt wurde, um die großen Veränderungen durchzuführen, die die brasilianische Gesellschaft fordert", erklärte Rousseff am Wahlabend. An erster und wichtigster Stelle stehe die politische Reform. Deren Ziel sind transparenter und effizienter arbeitende Volksvertretungen. Die Politik in Brasilien funktioniert stark personalisiert, Parteien sind oft nur Vehikel persönlicher Machtambitionen. Die Politik ist von Korruption und Vetternwirtschaft durchsetzt. Dadurch wächst die Unzufriedenheit.

Zwar konnten dank der Sozialprogramme der PT-Regierungen Millionen Brasilianer in die unteren Mittelschichten aufsteigen und in zuvor nie gekanntem Maß am Konsum teilnehmen. Und auch die immense Schere zwischen Arm und Reich wurde etwas verringert und der Hunger weitgehend verbannt. Dennoch sind viele Miseren unbewältigt. Eine schwächere wirtschaftliche Konjunktur und steigende Lebenshaltungskosten machen den Menschen zu schaffen.

Die Megastädte leiden unter Kriminalität, öffentliche Bildung und Gesundheitssystem sind weiter auf niedrigem Niveau, der Nahverkehr ist vielerorts katastrophal. Im vergangenen Jahr kam es zu Massenprotesten, die ihren Anfang in Aktionen gegen Fahrpreiserhöhungen im Nahverkehr hatten und sich schnell auf weitere Themen ausdehnten. Wut über die vielen Milliarden Steuermittel für Fußball-WM und Olympia in Rio de Janeiro 2016, die zum Teil in dunklen Kanälen versickerten, brach sich Bahn. Die rechtslastigen Medien versuchen seitdem, den Unmut der Öffentlichkeit gegen Regierung und Präsidentin zu kanalisieren. Die junge Generation hat keine eigenen Erfahrungen mehr mit den neoliberalen Vorgängern der Linken. Besonders dort fand Rousseffs Herausforderin Marina Silva Anklang. Die evangelikale Umweltpolitikerin war im ersten Wahlgang ausgeschieden und hatte ihre Wähler zur Wahl des Rechtskandidaten aufgerufen. Doch viele wollten es beim Denkzettel für die PT belassen.

Im Wahlkampf hatte Rousseff die Notwendigkeit betont, die Situation der Bevölkerung weiter zu verbessern. Dabei sieht sie sich einer erstarkten Opposition gegenüber. Mit offensivem Wahlkampf ist es ihr jedoch gelungen, weiter aus dem Schatten ihres Vorgängers, des früheren Gewerkschaftsführers "Lula" da Silva, hervorzutreten.

Peter Steiniger