Am 1. Januar 2005 ist das vierte "Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" in Kraft getreten. Bekannt ist es unter dem Kürzel "Hartz IV". Anlässlich des 10. Jahrestages hat der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge eine umfassende und gut lesbare Chronik der Entstehung und der Veränderungen dieses Gesetzes geschrieben. In ihr zieht er gleichzeitig Bilanz.

Der Autor sieht in den Reformen der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder, SPD, die "markanteste Chiffre für den Um- bzw. Abbau des Sozialstaats". Entstanden ist daraus seiner Meinung nach "ein zutiefst inhumanes System voll innerer Widersprüche (...), das Menschen entrechtet, erniedrigt, entmündigt". Die weitreichenden Konsequenzen: Der Niedriglohnsektor ist erschreckend gewachsen, der Druck auf die Beschäftigten gestiegen, sowohl was die Löhne als auch die übrigen Arbeitsbedingungen angeht.

"Hartz IV brach im Erwerbslosenbereich mit dem Prinzip der Lebensstandardsicherung, das den deutschen Sozial(versicherungs)staat bis zur sogenannten Riester-Reform (Teilprivatisierung der Altersvorsorge) um die Jahrtausendwende über alle Versicherungszweige hinweg ausgezeichnet hatte", schreibt Butterwegge. Von Anfang an sei es nicht darum gegangen, Langzeitarbeitslosen zu helfen. Das Grundproblem sei durch die Reformen nicht gelöst: die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten.

Nur eine Lohndumpingstrategie

"In Wahrheit sollten der Druck auf Erwerbslose wie auf Beschäftigte erhöht werden, die Rentabilität der hiesigen Konzerne gesteigert und der ,Standort D' durch eine politisch abgesicherte Lohndumping-Strategie noch konkurrenzfähiger gemacht werden", beschreibt der Wissenschaftler seine Sicht des Hintergrunds. Die Arbeit der Kommission habe der Bundesregierung Manövrierraum verschafft, den sie nach ihrem Gutdünken für ihre Arbeitsmarktreformen genutzt habe. Diese Reformen wurden dann im Vermittlungsverfahren vom damals schwarz-gelb dominierten Bundesrat noch radikalisiert. Die Folgen prägen das Leben bis heute nachhaltig bis in viele Bereiche hinein.

hla

Christoph Butterwegge: Hartz IV und die Folgen. Auf dem Weg in eine andere Republik? Beltz-Juventa-Verlag, Basel/ Weinheim, 290 Seiten, 16,95 €, ISBN 978-3779932345

Leitkommentar Seite 15