Für die Zeitungszusteller/innen konnten die Verleger im Mindestlohngesetz eine Ausnahme durchsetzen. Erst ab 2017 haben sie Anspruch auf 8,50 Euro pro Stunde. Nur wer auch Werbung oder Briefe austrägt, muss schon jetzt die volle Summe bekommen.

Doch gerade aus der Zustellbranche werden bundesweit immer wieder Versuche der Arbeitgeber bekannt, sich vor der korrekten Zahlung zu drücken. So erhielten rund 2000 Zeitungszusteller/innen im Raum Hannover Schreiben, in denen sie darüber informiert wurden, dass ihre Touren nach einem Geoinformationsdatensystem auf Grundlage arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des Mindestlohns von derzeit 6,38 Euro neu berechnet worden sei. Danach soll die Zustellerin Sabine A. jetzt im Monat 121,50 Euro brutto erhalten, zuvor waren es 250 Euro.

Bundesweit berichten viele Zusteller/ innen, dass ihre Touren neu vermessen wurden. Herausgekommen sind Zeitvorgaben, die meist nur von sportlichen jungen Männern bei besten Wetterbedingungen zu halten sind. Und da Unter-18-Jährige keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, ist Zusteller/innen auch schon nahegelegt worden, ihre Verträge auf jüngere Familienmitglieder zu übertragen.

Die NW Logistik, deren Mitarbeiter/innen werktäglich in Ostwestfalen rund 140.000 Exemplare der Neuen Westfälischen und anderer Zeitungen zu den Abonnent/innen bringen, überraschte die rund 1100 Beschäftigten am 8. Dezember mit der Mitteilung, es gebe ab sofort drei weitere Gesellschaften für die Zustellung der Zeitungen. Gegründet worden waren sie Anfang November, im Laufe des Monats wurden sogleich Ein-Personen-Betriebsräte gewählt.

Von wegen Fairer Lohn

Wer bei einer der drei neuen Gesellschaften anheuert, dem verspricht die Mediengruppe Neue Westfälische - die mehrheitlich einer 100-prozentigen Tochter der SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft gehört - "sofort fairen Lohn". In einem Flyer ist die Rede von 8,50 Euro pro Stunde plus zehn Prozent Nachtzuschlag bis 6 Uhr und fünf Wochen Urlaub. Das ist eine finanzielle Verbesserung für einen Teil der bisher bei der NW Logistik Beschäftigen. Allerdings hat rund die Hälfte der Belegschaft noch Altverträge aus der Zeit vor 2004 und damit Anspruch auf Stundenlöhne zwischen zehn und 13 Euro und sechs Wochen Urlaub. Außerdem bekommen alle Beschäftigten der NW Logistik Weihnachtsgeld. Weiterer Haken ist, dass der Arbeitgeber in den neuen Gesellschaften einseitig die Sollzeit für jeden Zustellbezirk vorgeben kann.

Dirk Toepper, der im ver.di-Bezirk Bielefeld/Paderborn für die Neue Westfälische zuständig ist, sieht in den neuen Gesellschaften einen Versuch, die Gesamtlohnsumme für die Zeitungszustellung zu senken. ver.di will durchsetzen, dass die Betriebsräte in die Festlegung der Sollarbeitszeiten einbezogen werden und dass ein Betriebsrat für alle vier Zustellunternehmen zuständig ist. Hinzu kommt die Forderung nach einem neuen Tarifvertrag. hla