Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zeigt sich gegenüber Unternehmenserben großzügiger als das oberste Gericht in Steuerfragen, der Bundesfinanzhof (BFH) in München. Einige Bestimmungen über die Bevorzugung der Erben von Betrieben halten die Karlsruher Richter/innen laut ihrer Entscheidung vom 17. Dezember 2014 zwar für verfassungswidrig. Aber für die von ihnen verlangte Neuordnung des Erbschaftsteuerrechts haben sie dem Gesetzgeber Zeit bis zum 30. Juni 2016 und einen "weitreichenden Gestaltungsspielraum" eingeräumt.

Der BFH hatte Karlsruhe die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften des Anfang 2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuergesetzes, betriebliches Vermögen zu 85 Prozent oder gar zu 100 Prozent von der Steuer zu befreien, dem Grundgesetz widersprechen. Mit dieser Steuerbefreiung wollte die damalige schwarz-rote Bundesregierung kleine und mittelständische, persönlich geführte Familienunternehmen im Erbfall erhalten und die dort vorhandenen Arbeitsplätze sichern. Dafür gab es weitreichende Steuervergünstigungen.

Erben von Unternehmen nicht verschonen

Das Bundesverfassungsgericht hält diese Regelung allgemein für gerechtfertigt. Aber die Art und Weise und das Ausmaß der bisher festgelegten Steuerbefreiung seien nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes zu vereinbaren. ver.di begrüßt das Urteil: "Es ist nicht zu begründen, dass die Erben ganzer Unternehmen oder von Aktienpaketen in Multimillionen- oder Milliardenwert von der Erbschaftsteuer verschont bleiben", erklärte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. "Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, das Gesetz so zu reformieren, dass künftig auch die Multimillionäre und Milliardäre entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Erbschaftsteuer herangezogen werden." Allerdings findet sich im aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD verklausuliert die kapitalfreundliche Zusage, die "Unternehmensnachfolge" solle durch die Erbschaftbesteuerung "nicht gefährdet" werden. Im Klartext: Bundesdeutschland soll auch in dieser Beziehung eines der unternehmerfreundlichsten Länder der Welt bleiben.

Ulf G. Stuberger

Aktenzeichen: 1 BvL 21/12