Ausgabe 05/2015
Mädchen für alles
Michael Oberhoff, 49, Disponent im Bio-Großhandel Naturkost Elkershausen, Göttingen
Im Bio-Großhandel bin ich vor 15 Jahren eher zufällig gelandet. Ich war auf Jobsuche und konnte bei Naturkost Elkershausen sofort anfangen - zuerst als Packer und mit befristetem Vertrag. Ich bin gelernter Industriemechaniker. Meine technische und handwerkliche Vorbildung konnte ich auch im neuen Betrieb bald nutzen. Über eine Zwischenphase als Kommissionierer im Lager wurde ich nach meiner Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis Disponent. Faktisch bin ich das "Mädchen für alles": Ich repariere Defekte an Gabelstaplern und Niederflurfahrzeugen, bin regelmäßig als Handwerker im Betrieb unterwegs, helfe bei Bedarf mal als Packer im Lager aus. Ich bearbeite aber auch einen Teil der Kundenreklamationen und kümmere mich um Werbeaktionen des Labels "Echt bio". Kein Tag ist wie der andere. Die Arbeit ist vielseitig - und oft stressig. Und schließlich gehöre ich schon lange zum Betriebsrat und bin seit dieser Wahlperiode auch Vorsitzender.
Naturkost Elkershausen beliefert Bioläden in Niedersachsen, Nordhessen, Thüringen und Westfalen mit dem Frische- und Trockensortiment, also mit Obst, Gemüse, Milchprodukten, Konserven, Süßigkeiten usw.. Die Bestellungen werden zusammengestellt, verladen, zu den Händlern transportiert - kurz: Es sind klassische Großhandelsabläufe. Das Betriebsklima ist familiär, die Firmenstrukturen sind hierarchisch. Wir sind 176 Beschäftigte, ein Drittel im kaufmännischen Bereich, zwei Drittel sind gewerblich Beschäftigte: Packer, Kommissionierer, Kraftfahrer. Zur Belegschaft gehören zwölf Auszubildende, von denen die Mehrzahl übernommen wird. Das ist übrigens eines der Ergebnisse unserer Betriebsratsarbeit.
Unser größter Erfolg ist der aktuelle Tarifabschluss. Anfang Juni konnten wir zusammen mit ver.di Niedersachsen Entgelterhöhungen von 80 Euro monatlich rückwirkend zum 1. Mai durchsetzen; im kommenden Jahr gibt es nochmal 50 Euro mehr. Die Azubis bekommen dieses und nächstes Jahr je ein Plus von 50 Euro im Monat, jeweils ab Mai. Wir sind in der Branche des Naturkost-Großhandels der einzige Betrieb mit Tarifvertrag. Inzwischen interessieren sich einige der anderen Betriebsräte in diesem Bereich für unsere Arbeit. Das ist auch dringend nötig, denn in der Branche wird immer noch überwiegend weit unter Tarif gezahlt. Bis es flächendeckend Tarifbindung gibt, wird es aber noch dauern, fürchte ich.
Im Moment planen wir, die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit neu zu verhandeln. Es geht uns vor allem um eine bessere Überstundenregelung. Bei 36 Wochenstunden für alle Kolleginnen und Kollegen, die in Vollzeit arbeiten, fallen zu häufig regelmäßige Überstunden an. Die wollen wir begrenzen. Wenn regelmäßig Überstunden nötig sind, beweist das schließlich nur, dass zu wenig Beschäftigte die Arbeit schaffen müssen. Deshalb wäre der sinnvollste Weg schlicht der, mehr Leute einzustellen.
Protokoll: Gudrun Giese