"An Ihnen kommt man nicht vorbei." Mit diesen Worten eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, ihre Rede am Eröffnungsabend des 4. ver.di-Bundeskongresses in Leipzig. Die Kanzlerin würdigte den Einsatz ver.dis für faire Arbeitsbedingungen und für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Den habe sie zwar nicht von Anfang an befürwortet, aber mittlerweile finde sie ihn wichtig, da immer weniger Menschen unter den Schutz von Tarifverträgen fallen, sagte sie. Darüber hinaus stünden jetzt Regelungen zu Leiharbeit und Werkverträgen an, da wolle sie mit den Gewerkschaften im Dialog bleiben.

Doch in Merkels Rede gab es nicht nur Übereinstimmung mit den ver.di-Positionen. Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA hält die Kanzlerin für notwendig, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Die Schuldenbremse rechtfertigte sie als Frage der Generationengerechtigkeit.

Dem widersprach der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der nach Merkel redete. Es sei nicht gerecht, unseren Nachkommen eine marode Infrastruktur zu hinterlassen. Die zeige sich schon heute an allen Ecken im Land. Der DGB-Vorsitzende sagte ver.di zudem in der Auseinandersetzung um die Aufwertung der Arbeit im Sozial- und Erziehungsdienst die Unterstützung aller DGB-Gewerkschaften zu. Sie sei mehr als eine Tarifauseinandersetzung, es gehe um die Anerkennung des Wertes von Arbeit in unserer Gesellschaft. Auch Angela Merkel hatte sich in ihrer Rede dafür ausgesprochen, die Arbeit mit Menschen ebenso zu bewerten wie die Arbeit mit Maschinen.

Wer Hilfe braucht, wird sie bekommen

Zur Flüchtlingspolitik sagte sie: "Denen, die Hilfe brauchen, werden wir Hilfe leisten", anderen müsse klar gesagt werden, dass sie nicht bleiben können. "Deutschland ist hilfsbereit, jeder kann das derzeit erleben", sagte die Kanzlerin und dankte damit den vielen Helfer/innen in der Flüchtlingsarbeit. Allerdings sei die Aufnahme von Flüchtlingen nicht alleine eine deutsche Herausforderung, sondern eine gemeinsame europäische Aufgabe.

"Es liegen große Aufgaben vor uns", sagte zwei Tage später Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, auf dem Bundeskongress. Die Bundesarbeitsministerin war die zweite geladene Gastrednerin aus der Politik. Sie kündigte an, noch im Oktober einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem sie den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen beenden will.

Die Ministerin will Scheinwerkverträgen und verdeckter Leiharbeit einen Riegel vorschieben und dafür auch die Informationsrechte von Betriebs- und Personalräten stärken. Auch den Einsatz von Leiharbeiter/innen als Streikbrecher/innen will sie zukünftig wirksam verhindern, der Streik bei der Deutschen Post AG im Sommer habe wieder gezeigt, wie nötig das sei. Es dürfe auch nicht zu einer Zwei- oder Mehr-Klassengesellschaft im Betrieb kommen, wenn in einem Betrieb Leiharbeiter/innen und Beschäftigte unter Werkvertrag eingesetzt werden.

Nahles bedankte sich für das Engagement der Gewerkschaften gegen Fremdenfeindlichkeit. Sie bezeichnete sie als "wichtiges Bollwerk gegen Hetze und Ausländerfeindlichkeit". "Solidarität ist fest in die DNA der Gewerkschaften eingeschrieben", sagte Nahles.

Etwas Eigenes entwickeln

"Nicht alles, was heute so ist, wird so bleiben", kündigte Nahles an. Allerdings müsse man sich über den Geist klar werden, mit dem man etwas verändere. So habe es Deutschland als Exportweltmeister nicht nötig, nur die Systeme anderer Länder zu kopieren, man könne durchaus etwas Eigenes entwickeln. Als Schlüssel für den Wandel auf dem Arbeitsmarkt nannte sie Qualifizierung. Daher möchte sie die Bundesagentur für Arbeit zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung umbauen.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske sagte, ver.di wolle Nahles' Angebot enger Partnerschaft annehmen. Er kündigte der Politikerin, die als Ministerin auch für Soziales zuständig ist, deshalb schon einmal eine ver.di-Kampagne gegen Altersarmut an. hla