Ausgabe 06/2015
Europäisches Schlusslicht
Die Pflege liegt am Boden
An deutschen Krankenhäusern fehlt Personal. 162.000 Vollzeitstellen sind es nach ver.di-Angaben bundesweit, 70.000 Stellen fehlen allein in der Pflege. Um diese Zahl sichtbar zu machen, hatten sich Ende Juni 162.000 Kolleg/innen in ihrer Mittagspause vor die Kliniken gestellt, exakt durchnummeriert mit Schildern in der Hand (ver.di publik berichtete). Jetzt hat ver.di eine Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht. Wird sie bis zum 12. Oktober von mindestens 50.000 Personen unterzeichnet, wird die gesetzliche Personalbemessung zum Thema einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses. In der kann ver.di dann nochmals Argumente für mehr Personal in deutschen Krankenhäusern darlegen.
Dazu zählt auch, dass in der Schweiz eine Pflegefachkraft durchschnittlich 5,5, in Polen 9,3 und in Deutschland 10,3 Patient/innen versorgt. Damit ist Deutschland europäisches Schlusslicht. ver.di verweist in diesem Zusammenhang auf eine britische Studie, nach der das Risiko, in einem Krankenhaus zu sterben, bei einer wegen Überlastung schlechten personellen Betreuung bis zu 26 Prozent höher ist. Daher fordert ver.di vom Bundestag ein Gesetz zur Personalbemessung im Krankenhaus. Es soll "regeln, dass der reale Personalbedarf ermittelt wird sowie dass die benötigten Stellen in allen Bereichen des Krankenhauses geschaffen und zweckgebunden außerhalb der Fallpauschalen finanziert werden", heißt es in dem Text der Petition.
Die Regelungen, die dazu bislang im aktuellen Entwurf des Krankenhausstrukturgesetzes stehen, seien nicht ausreichend. Das hat ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler auch anlässlich einer Anhörung zum Gesetz im Deutschen Bundestag im September deutlich gemacht: "Die Bundesregierung zielt am Kern des Problems vorbei, wenn sie versucht, die Qualität der Krankenhausversorgung zu verbessern, ohne den dramatischen Personalmangel gesetzlich zu bekämpfen." ver.di beteiligt sich außerdem mit einer ausführlichen Stellungnahme am Gesetzgebungsverfahren. Die Anhörung wurde im Bundestag von Protesten in Berlin und Saarbrücken begleitet.
In Zusammenhang mit der Personalbemessung macht Bühler auch auf ein Gutachten von Michael Simon von der Hochschule Hannover aufmerksam. Es wurde von ver.di in Auftrag gegeben. Simon kommt zu dem Schluss, dass weite Teile des Pflegedienstes chronisch arbeitsüberlastet sind. Er beziffert die Zahl der fehlenden Pflegekräfte sogar auf 100.000 Vollzeitkräfte. Um diese zu gewinnen, müsse der Pflegeberuf auch attraktiver gemacht werden, unter anderem durch verbesserte Arbeitsbedingungen. Zur Zeit können sich 74 Prozent der Pflegekräfte nicht vorstellen, dass sie ihren Beruf bis zur Rente ausüben.
E-Petition
Noch bis zum 12. Oktober kann die von ver.di beim Deutschen Bundestag eingereichte Petition gezeichnet werden. Der Link zur entsprechenden Website des Bundestags findet sich unter www.die-krankenhauspetition.de. Dort gib es auch weitere Informationen und Unterschriftenlisten zum Herunterladen. Mit ihnen können vor Ort in den Krankenhäusern, aber auch bei ver.di- Aktionen oder im Freundes- und Bekanntenkreis Unterschriften gesammelt werden. Die ausgefüllten Listen müssen bis zum 5. Oktober an ver.di zurückgeschickt werden, dann zählen sie mit zu den für die E-Petition nötigen 50.000 Unterschriften.