"Ich hab' ein Faible für die Alten"

Früher stand WILLEM WITTSTAMM (60) als Zauberer und Entertainer auf der Bühne. Nach Burnout und Sinnkrise entdeckte er mit Ende 40 die heilsamen Kräfte des Yoga und gab seinem Leben neuen Schwung. Heute unterrichtet er im In- und Ausland Yoga für Ältere und hat nun das Buch Yoga für Späteinsteiger geschrieben

ver.di publik - Woher kommt deine Vorliebe für die Arbeit mit Senior/innen?

Wittstamm - Ich hatte schon immer ein Faible für die Alten. Ich bin ein 55er Jahrgang und in einer bäuerlichen Großfamilie mit sieben Tanten aufgewachsen. Den Alten bin ich unendlich dankbar, die haben uns den Weg freigeschaufelt. Der ganze Aufbau nach dem Krieg, den ich mitbekommen habe. Die haben jede Straße gebaut, das Freibad, in das meine Kinder gehen. Jetzt kann ich ihnen was wiedergeben. Mein Fokus geht aber inzwischen über die Kriegsleute hinaus zu denen, die sich langsam aus dem aktiven Leben zurückziehen, die aus dem Hamsterrad der Verantwortung raus sind und sich fragen, was gibt's sonst noch für mich?

ver.di publik - Was kann Yoga in dieser Lebensphase für mich tun?

Wittstamm - Es hilft uns, das Altern als positiven Prozess wahrzunehmen und das Loslassen von alten Mustern als Befreiung zu erleben. Neues freudig zu begrüßen, anstatt das Altwerden als lästiges Übel zu ertragen. Dieser Umbruch ist ja nicht einfach. Du hast immer funktioniert und bist plötzlich auf dich zurückgeworfen. Da kommt Yoga ins Spiel, weit über den körperlichen Ansatz hinaus. Viele versuchen ja im Alter, der Jugend hinterherzulaufen. Denen sag ich immer, "dann siehst du sie nur von hinten". Aber die Fähigkeit, loszulassen, was eh nicht mehr anliegt und die reiferen Jahre als Reifung willkommen zu heißen, das kann man mit Yoga erlernen.

Eine Runde Rumpfdrehen reinigt auch die Organe im Bauch

ver.di publik - Warum braucht es spezielle Übungen für Ältere?

Wittstamm - In meinen Kursen hat sich gezeigt, dass viele nicht so lange im Schneidersitz auf der Matte sitzen können oder ein kaputtes Kreuz haben. Es macht ja keinen Sinn, sich in die Stellung reinzuquälen. Es geht nicht um Akrobatik, sondern um Raum und Ruhe. Darum, dass ich mich nachher besser fühle. Deshalb habe ich die Übungen der westlichen Lebenswelt angepasst und meine Senioren auf einen Stuhl gesetzt. Die 26 Übungen im Buch sind entsprechend konzipiert.

ver.di publik - Und an jede Übungsreihe schließt sich eine Meditation und Atemtechnik an.

Wittstamm - Genau. Ein Bild, um dieses Vorgehen zu erläutern: Mit den Übungen ziehe ich den Flieger hoch, und mit der Meditation gleite ich. Ich habe den Fokus als Yoga für Körper, Seele und Geist angelegt. Yoga für Späteinsteiger geht weit über Gymnastik für Ältere hinaus.

ver.di publik - Yoga gilt heute oft als "Frauending". Tut es nicht auch dem Manne gut?

Wittstamm - In Indien wurde Yoga nur von Männern praktiziert! Die Frauen haben gearbeitet. Scherz beiseite: In meinen Kursen sind zur Hälfte Männer und Frauen. Ich weiß aber, dass Männer noch mehr Probleme mit der Verabschiedung von den Rollen haben, die sie als junger Erwachsener gelernt haben. Ihnen hilft es also noch mehr.

Interview: Jenny Mansch

Wir verlosen 10 Exemplare von Yoga für Späteinsteiger plus DVD aus dem GU-Verlag. Postkarte an: ver.di publik, Stichwort: Yoga; Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin oder E-Mail: redaktion.publik@verdi.de

"Ich habe die Übungen der westlichen Lebenswelt angepasstund meine Senioren auf einen Stuhl gesetzt"