Aktion "Bildung liegt flach" am 28. September in Jena

Bei Warnstreiks ein, zwei Tage auf die Straße gehen, ja, das kriegen sie hin. Darüber waren sich die Jenaer Kolleginnen in den Kitas einig, als der Tarifkonflikt im Sozial- und Erziehungsdienst im Mai zum Streik führte. Doch es kam anders. Wie sie sich in den vier Streikwochen verändert haben und wodurch, beschreibt Inken Franke, Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung Jena, so: "Erfahrungen mit einem unbefristeten Streik hatten wir alle nicht. So war alles für uns Neuland. Schritt für Schritt haben wir uns angeeignet, was wir wissen mussten und wie es weitergehen könnte. Wir Ehrenamtliche haben gelernt, uns selbst zu organisieren."

Von Erfahrungen profitieren

In Jena gibt es zehn kommunale Kindereinrichtungen. Neun davon haben gestreikt, in der kompletten Streikzeit, bis zum Schlichterspruch. Eine schwere Zeit sei es gewesen, sagt Franke. "Nach dem Streik und dem Tarifabschluss haben wir immer wieder zurückgeblickt und unser Herangehen ausgewertet." Von ihren Erfahrungen, ihrem Durchhaltevermögen und dem hohen Grad an Selbstorganisation können jetzt ver.di-Kolleg/innen in allen Branchen profitieren.

Die streikenden Erzieherinnen und ihre Kolleginnen haben in der Öffentlichkeit oftmals Unverständnis oder auch Ablehnung erfahren. Das hatte mit Unwissenheit zu tun oder mit Gedankenlosigkeit, wie sich zeigte, wenn die Arbeitsbedingungen und die Würdigung der Leistungen der Beschäftigten angesprochen wurden. Die Erzieherinnen gingen an die Öffentlichkeit. Zuerst wollten sie mit den Eltern reden, besonders mit den Elternsprecher/innen.

Aufklärung war gefragt, zumal der Arbeitgeber in der Presse falsche Gehälter angab, nach oben korrigierte Beträge nannte. Durch eine Gebührenerhöhung waren viele Eltern zusätzlich genervt. Die Streikenden standen also regelmäßig in den Fußgängerzonen, sprachen mit den Leuten über ihren Berufsalltag, die Bezahlung, den Wert von Berufen in der Bildung und Erziehung. Ihr Ziel war es, aufzuklären; den gesellschaftlichen Diskurs wollten sie anschieben über den Wert von Bildung und Erziehung. Denn es muss sich etwas ändern - und das geht nur mit den Eltern. Zwei Drittel des Tages werden deren Kinder schließlich in den Kindereinrichtungen betreut. Es muss ihnen also wichtig sein, dass gut ausgebildetes Personal, motivierte und entsprechend gut bezahlte Fachkräfte ihre Kinder betreuen.

Das Auf und Ab in den Aktionen während der vier Wochen Streik, das Für und Wider im Umfeld und vor allem in den Emotionen - all das war kräftezehrend. Die Streikenden haben sich gegenseitig aufgebaut, sind gemeinsam wandern gegangen, haben Veranstaltungen besucht oder selbst welche organisiert. Und sie haben geredet, immer wieder, und sich gut vorbereitet auf den Moment, in dem sie wieder in die Einrichtungen gehen, am Tag nach dem Streik. Da waren ja nicht nur die Vorgesetzten, sondern auch die Kolleginnen, die nicht mitgestreikt haben.

Bei all den Problemen haben die Streikenden aber auch viele positive Erfahrungen gesammelt: das Einander-Stärken, die Gemeinsamkeit, das Solidargefühl und das offene Miteinander-Reden.

Ein Schock war dann der Schlichterspruch, den die meisten als eine Zumutung empfanden und mehrheitlich ablehnten. Mit dem am 21. September schließlich unterzeichneten Tarifabschluss, der den Erzieherinnen etwa 100 Euro mehr beschert, haben sie sich jetzt arrangieren können.

Die besondere Stärke der Jenaer Kolleginnen hebt auch Corinna Hersel hervor, die Geschäftsführerin des Thüringer ver.di-Bezirks: "Das ging nur, weil bei den Erzieherinnen so viele bei uns in ver.di organisiert sind, weil sie eine gute ehrenamtliche Basis aufgebaut haben. Und sie haben dazugelernt - mit jedem Streiktag mehr."