Nicht für alle ist mehr drin

Was haben Aurich, Goslar und Offenbach gemeinsam? In diesen Städten haben auch am Sonntag nach Weihnachten, am 27. Dezember, die Geschäfte geöffnet. Wie in vielen weiteren Städten ist den Handelsbeschäftigten hier kein langes Weihnachtswochenende vergönnt. Die Stadt Aurich möchte ihren Besuchern laut ihrer Website "einen schönen Sonntagsbummel durch die Stadt" ermöglichen, Goslar wirbt mit "winterlichem Einkaufsvergnügen". Hier hat der Weihnachtsmarkt ebenso wie in Offenbach auch über die Feiertage hinaus geöffnet. In dem hessischen Oberzentrum hofft die Stadtverwaltung, dass die Besucher des Weihnachtsmarktes die sonntäglichen Sonder-Öffnungszeiten des benachbarten Einzelhandels nutzen, um Geschenke umzutauschen. Dass die Beschäftigten dieser Geschäfte zumeist noch am Heiligen Abend gearbeitet haben, bleibt dabei unerwähnt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im November die Gewerkschaften darin bestärkt, bei der Sonntagsöffnung genau hinzusehen und bei Zweifeln Normenkontrollverfahren anzustrengen. Wird eine Veranstaltung zum Anlass genommen, auch die Ladenöffnungszeiten an einem Sonntag freizugeben, "muss der Markt für sich genommen - also nicht erst aufgrund der Ladenöffnung - einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen, der die zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt. Außerdem muss die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt bleiben", heißt es dazu in der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Markt und nicht die Ladenöffnung müsse den öffentlichen Charakter des Tages prägen.

Anlass für das Verfahren war ein laut einer ver.di-Pressemitteilung "kleines Frühlingsfest mit einer Torwand" in einem Gewerbegebiet. Aus diesem Anlass hatte die bayerische Gemeinde Eching mehreren Möbelhäusern und Baumärkten erlaubt, sonntags von 12 bis 17 Uhr zu öffnen. Der ver.di-Landesbezirk Bayern hatte dagegen mit einem Normenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil der Vorinstanz jetzt bestätigt und die Revision der Gemeinde zurückgewiesen. Damit war die Rechtsversordnung der Gemeinde zur Freigabe der Ladenöffnung an einem Marktsonntag in diesem Gewerbegebiet unwirksam.

"Das Urteil ist ein weiterer wichtiger Erfolg im Kampf gegen die Ausweitung von Ladenöffnungszeiten an Sonntagen", sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Sie kritisiert die immer weiter um sich greifende Praxis von Gemeinden, Scheinanlässe zu kreieren, um Sonntagsöffnungen zu erlauben.

Aktenzeichen: 8 CN 2.14

Callcenter

Im vergangenen Jahr hatte ebenfalls das Bundesverwaltungsgericht die Sonntagsarbeit unter anderem in hessischen Callcentern gekippt (Aktenzeichen 6 CN 1.13). Nach Meinung des Gerichts war eine Gewerbeverordnung des Landes Hessen in Teilen ungültig. Im November haben die Landesarbeits- und -sozialminister/innen den Bund aufgefordert, die Sonn- und Feiertagsarbeit in Callcentern einheitlich zu regeln. Das zielt nach Meinung der ver.di darauf ab, die Sonntagsarbeit zu stärken. Die Interessen der Beschäftigten sowie ihrer Familien würden offenbar außer Acht gelassen, kritisierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ute Kittel.

Sie ist von dem Beschluss überrascht, denn die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sowie weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 hätten das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit gestärkt. ver.di bleibe bei ihrer Auffassung, dass die bisherigen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und die geltenden Ausnahmeregelungen ausreichend sind.

Eine Ausnahmeregelung nur für Call-, Service- und Kontakt-Center mache keinen Sinn. In Callcentern seien zudem überwiegend Frauen beschäftigt. "Der Beschluss verstärkt die Mehrfachbelastungen von Frauen und geht zu Lasten von Familie und Gesundheit", sagt Ute Kittel. Der arbeitsfreie Sonntag sei eine soziale Errungenschaft und als Tag der Ruhe und Erholung unverzichtbar. "Wirtschaftliche Interessen haben hier zurückzutreten", so die Gewerkschafterin.